Full text: Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts.

614 Siebentes Buch. F. 237. 
tanten) des gesammten deutschen Volkes und daher an Aufträge 
(Mandate) oder Instructionen nicht gebunden. 1) 
In Folge der Unabhängigkeit, welche den Mitgliedern des 
Reichstages nach allen Seiten gesichert sein soll, ist denselben 
a) volle Redefreiheit und Frciheit ihrer Abstimmung durch die 
Verfassung gewährleistet. „Kein Mitglied des Reichstages 
darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder 
wegen in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen 
gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt, oder sonst außer der 
Versammlung zur Verantwortung gezogen werden“; 2) 
b) daran reihen sich die Bestimmungen des Art. 31 der Reichs- 
verfassung, lautend: 
„Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied 
desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit 
Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder 
verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That 
oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. 
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen 
Schulden erforderlich. 
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafver- 
fahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- 
oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufge- 
hoben.“ 5) 
1) Reichsverfassung Art. 29. Zu welcher Zeit und aus welcher Ver- 
anlassung derartige Versuche gemacht werden, auf die freie, von Einflüssen 
Dritter unabhängige Selbstbestimmung der Abgeordneten einzuwirken, ist 
gleichgiltig. Eine Wählerschaft, welche dem Abgeordneten ein s. g. imperatives 
Mandat ertheilen wollte, würde sich einer rechtswidrigen, daher nichtigen 
Anmassung schuldig machen. 
2) Reichsverfassung Art. 30; s. die Bestimmung der preuß. Verfassung 
Art. 84 Abs. II. u. des R. Str. G. B. §. 11, der die Verfügung der Reichs- 
verfassung generalisirt und daher den §. 27 Tit. VII. der bayerischen Ver- 
assung aufgehoben hat. 
*) Der Art. 31 ist sast wörtlich dem Art. 84 der preußischen Ver- 
fassung entnommen; wegen Bayerns s. Verf.-Urk. Tit. VII. §. 26. Weder 
der Wortlaut, noch die ratio legis gestatten, das Privilegium des Art. 31 
auf den Vollzug einer rechtskräftig von den Gerichten erkannten Freiheitsstrafe 
auszudehnen, und zu fordern, daß zur Abführung eines Abgeordneten in die Straf- 
anstalt, bezw. zur Fortsetzung der Freiheitsstrafe die Genehmigung des Reichstags
	        
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