42 Einleitung. 8. 20.
lieren ihre Kraft, wenn sie durch Verfassungs-Novellen.
entweder einfach aufgehoben oder durch andere Vorschriften
ersetzt sind. Dagegen haben jene Verfassungs-Novellen,
welche und soweit sie Zusätze enthalten, auf die Gültig—
keit der früheren Bestimmungen der Verfassuugs-Urkunde
keinen Einfluß; sie gelten neben ihr. — Sonstige neuere
Gesetze, welche nicht in den Formen des Tit. X. 8. 7
zu Stande gekommen sind, und Verordnungen können
den Verfassungs-Gesetzen nicht derogiren. Nur in den
durch die Verfassungs-Urkunde nicht normirten Verhält-
nissen finden sie und zwar hier volle Anwendung.
d) Die Verfassungs-Urkunde in dem oben bezeichneten weiteren
Sinne ist als Ein Ganzes zu betrachten; es sind daher
die Bestimmungen derselben wo möglich so zu interpre-
tiren, daß sie ineinandergreifen, ohne sich aufzuheben.
Widersprüche und wahre Collisionen sind darnach nur an-
zunehmen wo ein Nebeneinanderbestehen mehrerer Gesetzes-
stellen juristisch unmöglich ist. Solche Widersprüche finden
sich denn vorzüglich zwischen den Bestimmungen der Ver-
fassungs-Urkunde und insbesondere der II. Beilage und
jenen des ersten Anhangs dazu, und es wird daher die
Frage wichtig, welche von den beiden Rechtsquellen etwa
einen Vorzug vor der anderen behaupte, und im Collisions=
falle der andern vorgehe 4) Zur richtigen Beantwortung
derselben möchten nachfolgende Bemerkungen führen:
a) Das Concordat des Königs von Bayern mit dem
römischen Stuhl wurde unter dem 5. resp. 6. Juni
1817 zu Rom von den beiderseitigen Gesandten un-
terzeichnet, und von Bayern am 14. Oktober, von
dem römischen Stuhle am 15. November 1817 rati-
4) Man hat wohl behauptet (s. Karl v. Wallerstein, Beiträge zum
Kirchenstaatsrecht S. 131), es bestehe ein Widerspruch zwischen beiden Ur-
kunden nicht, es sei daher eine Interpretation zur Hebung eines solchen nicht
nöthig. Der Verf. hält z. E. das Placet für begründet, weil sich die kath.
Kirche (2) ihm fügt (S. 57)! Um sich von der Existenz und Tragweite
dieser Widersprüche zu überzeugen, braucht man z. B. nur den Art. I. des
Conc. mit Verf.-Urk. Tit. IV. §. 9 zu vergleichen. Entweder die eine oder
die andere Bestimmung ist in der Fassung, wie sie vorliegt, unanwendbar.