§ 95. Die Gemeindebürger, deren Rechte und Pflichten. 107
Abteilung II.
g v5.
Die Gemeindebürger, deren Rechte und Pflichten.
(Art. 10—25 der Gem.-Ordn.)
Nirgends in der Gemeindeordnung ist der Begriff des „Ge-
meindeangehörigen“ oder des „Gemeindebürgers“ genau definiert. Es
kommt dies daher, weil man sich in der Abgeordnetenkammer über
die Fassung eines desbezüglichen Artikels nicht zu einigen vermochte.
Was man unter einem „Gemeindeangehörigen“ und speziell unter
einem „Gemeindebürger“ versteht, ist daher teils aus den einzelnen
Bestimmungen der Gemeindeordnung, des Heimatgesetzes sowie des
Gesetzes über die öffentliche Armen- und Krankenpflege, teils aus der
historischen Entwicklung des Gemeindebürgerrechtes zu entnehmen.
Ueber letzteres s. v. Kahr, Comm. S. 4 f., 8 f., 10, 14, 17,
23 und 29, ferner Hauck-Lindner, Comm. S. 46 ff.: Vorbemerkung
zu Art. 10 ff. der Gem.-Ordn.
„Gemeindeangehörige“ sind nicht blos die Gemeindebürger,
sondern alle jene Personen, welche zur Gemeinde in eine dauernde
Beziehung getreten sind, also auch die in der Gemeinde Heimatberech-
tigten, ferner diejenigen, welche in der Gemeinde ihren Wohnsitz
haben und diejenigen, welche ohne in der Gemeinde zu wohnen, da-
selbst Grundstücke oder dingliche Rechte besitzen. (S. Becher, Landes-
civilrecht, S. 397.)
Für die praktische Anwendung sind demnach Gemeindean-
gehörigei) im Sinne der Gemeindegesetzgebung überhaupt:
1) die in der Gemeinde Heimatberechtigten, und zwar gleich-
viel, ob sie in der Gemeinde wohnen oder nicht;
2) diejenigen Personen, welche — ohne in der Gemeinde
heimatberechtigt zu sein — in derselben ihren Wohnsitz auf-
geschlagen haben; aber auch
3) diejenigen Personen, welche ohne in der Gemeinde zu
wohnen und ohne daselbst beheimatet zu sein — Grundstücke
oder besteuerte Rechte in derselben besitzen (s. Art. 25 der
Gem.-Ordn.); vor allen Dingen aber
4) die wirklichen Gemeindebürger d. h. diejenigen Gemeinde-
angehörigen im vollsten Sinne des Wortes, welche alle
scheidung von Beschwerden gegen Beschlüsse der kgl. Kreisregierungen „in Gegen-
ständen der Staatsaufsicht über Gemeindeangelegenheiten, wenn von einer Ge-
meinde behauptet wird, daß durch solche Berfügungen das ihr gesetzlich zustehende
Selbstverwaltungsrecht verletzt oder daß ihr eine gesetzlich nicht begründete Leistung
auferlegt sei.“
Siehe die in vorstehender Anm. 93 genannte Entsch, des Verw.-Ger.-Hofs.
:) Ueber „Gemeindeangehörige“ s. v. Seydel, 2, 57 ff. und 2, 76 ff.