Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band II. Das rechtsrheinischen Gemeinden und die Gemeindeverbände (Gemeindeordnung, Distrikts- und Landratsgesetz). (2)

172 8 95a. Von den Gemeindebürgern, deren Rechten und Pflichten. Art. 22. 
II. Eine solche Gebühr kann nicht gefordert werden, wenn der 
Anspruch des Neueintretenden auf einem besonderen Privatrechts- 
titel 1783) beruht oder nach rechtsbegründetem Herkommen 1750) mit dem 
Besitze des von ihm erworbenen Hauses oder Gutes verbunden 
ist. 180) 
171) Auch bei diesen Gebühren ist es zulässig, daß innerhalb der vom Ge- 
setze gezogenen Grenzen durch Regulativ verschiedene Klassen bezw. Sätze festge- 
stellt werden; so z. B. kann für die in der Gemeinde vor dem Bürgerrechtserwerb 
bereits Beheimateten eine geringere Gebühr als für Fremde, für bisherige Aus- 
länder (Nichtdeutsche) eine höhere als für Inländer bestimmt werden. Siehe 
Entsch des Verw.-Ger.-Hofes vom 14. Oktober 1892 Bd. 14, 50 in Anm. 183 
Nr. it. a. 
178) Z. B. Vertrag, Verjährung. 
17)) Wo die Gem.-Ordn. von „rechtsbegründetem Herkommen“" spricht, ist 
damit (nicht die Verjährung, sondern) das örtliche Gewohnheitsrecht ver- 
standen. Gleiche Bedeutung kommen den Worten „örtliches Herkommen“, „Orts- 
gebrauch“, „Ortsübung" zu. Näheres hierüber s. v. Kahr S. 226 ff., sowie 291 f., 
ferner unten bei Art. 32 in § 96a Anm. 87 und 88, speziell die zu Art. 32 an- 
geführten Abhandlungen in den Bl. für admin. Pr. in § 96a Anm. 101 Nr. III. 
Im öffentlichen (Staats-) Rechte sind Abweichungen von den dies- 
bezüglichen (öffentlich-rechtlichen) gesetzlichen Bestimmungen durch örtliches Ge- 
wohnheitsrecht nur insoweit anzuerkennen und rechtswirksam, als das betr. Gesetz 
einen ausdrücklichen diesbezüglichen Vorbehalt selbst enthält. Siehe v. Kahr 
S. 228 und 229, sowie die Note 10 und 11 daselbst. (Vergl. auch v. Seyd. 
Bd. 1, 586 Note 9 und Bd. 2, 636, 639, besonders Bd. 2, 310 f.; Laband, 
Staatsrecht 3. Aufl. Bd. 1, 553 f.) 
Mit dieser eben ausgesprochenen Einschränkung sind auch die in Anm. 183 
Nr. I lit. b angeführten Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes aufzufassen. Siehe hiezu 
auch die Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes in Anm. 183 Nr. I lit. c. 
Diese Regel gilt auch für die Gemeindeordnung. Wo aber das „rechtsbe- 
gründete Herkommen“ oder das „brtliche Gewohnheitsrecht“" in der Gemeinde- 
ordnung auf Grund des von dieser selbst gemachten Vorbehaltes Platz greifen 
kann, sind für die Bildung dieses Gewohnheitsrechtes diejenigen Grundsätze giltig, 
welche das einschlägige bürgerlich: Recht aufstellt. (Siehe bayer. Landrecht TI. 1 
Cap. II § 15; bezüglich des preuß. Landrechts s. v. Kahr S. 228 f. Note 10.— 
Das bürgerliche Ges.-Buch hat hierüber keine Bestimmung getroffen.) Vergl. 
Anm. 183 I lit. d, auch lit. b. Abs. 3. 
Ueber den Unterschied zwischen Verjährung und Gewohnheitsrecht 
s. v. Kahr S. 227, ferner Entsch. des Verw-Ger.-Hofes vom 6. Juni 1884 Bd. 5, 
226 und vom 23. Februar 1886 Bd. 7, 71. 
Ueber die Frage, ob die betr. Uebung die Merkmale eines „rechtsbegrün- 
deten Herkommens“ an sich trägt, s. die Ausführungen der in Anm. 183 I lit. b 
angeführten Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 21. April 1891. 
150) Besteht in einer Gemeinde demgemäß beispielsweise ein örtliches Her- 
kommen, daß die Eigentümer bestimmter ((pereits bestehender) Häuser ein Holz- 
oder Waldrecht oder ein sonstiges Nutzungsrecht am Gemeindeeigentum besitzen, so 
haben diese Nutzungsberechtigte keine Gemeindegebühr zu entrichten; ist hingegen 
dieses örtliche Herkommen derart, daß jeder Hauseigentümer der Gemeinde, also 
auch der Besitzer neu entstehender Gebäude ein solches Nutzungsrecht anzusprechen 
hat, so trifft Abs. II nicht zu, d. h. es muß jeder Hauseigentümer, welcher das 
fragliche Nutzungsrecht ausüben will, auch die treffende Gemeindegebühr bezahlen; 
vorbehaltlich natürlich der Bestimmung des Art. 201 Abs. III der Gem.-Ocdn. 
Ueber den Begriff „treffende“ Gemeindegebühr s. Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes in 
Anm. 183 Nr. I lit. a. 
Siehe v. Kahr S. 232; vergl. auch Anm. 182a.
	        
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