§ 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 17
Im übrigen sind beide Gemeindeordnungen — auch fast durch-
gehends dem Wortlaute nach — übereinstimmend, und wird nötigen-
falls nachstehend bei der Behandlung der einzelnen Artikel der rechts-
rheinischen Gemeindeordnung auf die Abweichungen der pfälzischen
Gemeindeordnung noch weiter speziell aufmerksam gemacht werden. —
RKapitel II.
Die bayerische Gemeindeordnung für die Tandesteile
diess. des Rheins vom 29. April 1869.
A. Organisation, Gemeindeangehörige, Gemeindevermögen,
Gemeindebedürfnisse ete.
9 .
Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung.)
(Art. 1—9 der Gem.-Ordn.)
Die Gemeindeordnung von 1869 will an sich nur die öffentlich-
rechtlichen Verhältuisse der Gemeinden regeln; die eivilrechtlichen da-
gegen werden von ihr nur insoweit berührt, als sie mit den öffent-
lichen Rechtsverhältnissen der Gemeinden zusammenhängen.
So ist z. B. die Materie der Handlungsfähigkeit der
Gemeinden vollständig und erschöpfend in der Gemeindeordnung
behandelt, so daß die einschlägigen Bestimmungen der Civilgesetze hier
keinen Platz mehr finden können.:) Vergl. S. 21 f.
Im übrigen ist für die bürgerlichen oder privatrechtlichen Ver-
hältnisse der Gemeinden die bürgerliche oder die Civilgesetzgebung,
d. h. das einschlägige bürgerliche oder Civil-Recht und die Civilprozeß-
ordnung maßgebend.
1) Ueber die geschichtliche Entwicklung des bayer. Gemeinderechtes, speziell
von 1616 bis 1818 bezw. 1834 s. v. Kahrs Comm., zur Gem.-Ordn. Einleitung
S. 1 ff. und über die Bedentung der Kenntnis dieser Entwicklung die dortselbst
angeführten goldenen Worte: „Die Kenntnis dieser Geschichte (des Gemeindelebens,
wie sich solches in Deutschland entwickelt hat) ist — ganz abgesehen von dem hohen
wissenschaftlichen und allgemein menschlichen Interesse, welches sie bietet — ins-
besondere auch für den Verwaltungsbeamten von praktischer Bedeutung, indem
sie ihm einen tiefern Einblick in das gemeindliche Leben ermöglicht und die richtige
Beurteilung der Verhältnisse erleichtert, ja ihn auch persönlich den Gemeinden
süher bringt und ihm größern Einfluß auf dieselben sichert."
:) Ueber die eivilrechtlichen und civilprozessualen, auf die Ge-
meinden bezüglichen Bestimmungen des bayer. Rechtes s. Dr. Becher: das
rechtsrhein. bayer. Landescivilrecht und Landescivilprozeßrecht, München 1896,
J. Schweitzer Verlag (citiert mit: Becher S. )), ein mit außerordentlichem
Fleiße und großer Sachkenntnis verfaßtes, zugleich aber auch in leichtverständlicher,
besonders praktischer Weise geschriebenes Werk, aus welchem die Gemeindebehörden,
insbesondere aber die zum Vermittlungsamte berufenen bayer. Gemeindebeamten
in allen Fragen, welche das bayer. Landescivilrecht und Landescivilprozeßrecht
betressen, sich vollständig zu orientieren und jede nötige Auskunft zu erholen ver-
mogen.
Pohl, Handbuch. II. 2