Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band II. Das rechtsrheinischen Gemeinden und die Gemeindeverbände (Gemeindeordnung, Distrikts- und Landratsgesetz). (2)

8 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 19 
sowohl in ihren Beziehungen zum Staate selbst als zu anderen öffent— 
lichen Körperschaften, als auch zu ihren eigenen Gemeindeangehörigen. 
Als solche öffentliche Körperschaften haben die Gemeinden nach 
Art. 1 der Gem.-Ordn. das Recht der Selbstverwaltung d. h. sie 
sind einerseits berechtigt, andrerseits verpflichtet, sowohl die ihnen als 
Gemeinden zustehenden, — die eigentlichen gemeindlichen Ange- 
legenheiten, — als auch die ihnen vom Staate bezw. durch das Gesetz 
besonders übertragenen Sachen (z. B. Polizei) selbst zu verwalten; 
für diese Verwaltung haben sie vollständig freie Hand, nur müssen 
sie dabei die Gesetze beobachten, diese Verwaltung also „nach Maßgabe 
der Gesetze“ führen. Es müssen demnach einerseits alle auf diese 
Selbstverwaltung und auf die mit ihr verbundene Pflichterfüllung bezüg- 
lichen gemeindlichen Beschlüsse und Handlungen sich innerhalb des 
Gesetzes vollziehen, müssen also auf Grund eines Gesetzes und in Er- 
füllung der gesetzlichen Verpflichtungen gefaßt bezw. bethätigt werden, 
demnach stets durch eine gesetzliche Bestimmung begründet werden 
können; dürfen aber auch andrerseits kein Gesetz verletzen oder gegen 
ein gesetzliches Verbot verstoßen: Und daß dies stets geschieht, daß 
einerseits alle den Gemeinden obliegenden gesetzlichen Verbindlichkeiten 
erfüllt, andrerseits die Gesetze nicht verletzt werden, darüber wacht der 
Staat und nach dieser Richtung hin, aber einzig und allein nur 
nach dieser stehen die Gemeinden unter der fortgesetzten Aufsicht des 
Staates: In keiner Weise will dagegen jetzt mehr ihre Handlungs- 
fähigkeit an sich durch die Staatsaufsicht beeinträchtigt werden. 
Dieses Aufsichtsrecht darf daher aber auch einerseits nicht weiter 
ausgedehnt werden, als vom Gesetze ausdrücklich (bes. Art. 156, 157 
und 159 der Gem.-Ord.) bestimmt ist; andrerseits begründet dagegen die 
innerhalb der gesetzlichen Schranken bethätigte Ausübung des staat- 
lichen Aufsichtsrechtes keinen Eingriff in die gesetzlich garantierten Selbst- 
verwaltungsrechte der betr. Gemeinden (vgl. Comm. von Hauck-Lindner 
S. 17). Näheres hierüber s. unten bei Behandlung der Art. 154 bis 162. 
Die Gemeindeordnung von 1869 steht also auf dem Prinzipe 
der freien Selbstverwaltung. Die frühere Staatskuratel ist gefallen 
und sind die Gemeinden — abgesehen von der Verpflichtung zur Be- 
obachtung der gesetzlichen Vorschriften, welcher übrigens alle Rechts- 
subjekte ausnahmslos unterliegen, — völlig selbständig in der 
Fassung ihrer Beschlüsse; sie unterliegen bezüglich derselben keiner- 
lei Bevormundung, soferne nicht für einzelne im Gesetze bestimmt 
vorgesehene Fälle die staatliche Aufsicht bezw. staatsaufsichtliche Ge- 
nehmigung ausdrücklich vorbehalten ist. Wo und soweit letzteres geschehen 
ist, muß sich (nach dem im Art. 1 aufgestellten Grundsatze, daß das Selbst- 
verwaltungsrecht nur „nach Maßgabe der Gesetze“ an die Gemeinde ver- 
liehen ist,) diesen gesetzlichen Vorschriften seitens der Gemeinde gefügt und 
muß das staatliche Aufsichtsrecht von ihr anerkannt werden. — Zu diesen 
Gesetzen gehört nun aber nicht bloß die Gemeindeordnung, es gehören 
hiezu auch die sonstigen Verwaltungsgesetze, desgleichen die ver- 
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