Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band II. Das rechtsrheinischen Gemeinden und die Gemeindeverbände (Gemeindeordnung, Distrikts- und Landratsgesetz). (2)

§ 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 21 
auch auf dem Gebiete des Privatrechtes nur in ihrer Eigenschaft als 
Körperschaften des öffentlichen Rechtes gegeben werden. Es können 
daher auch die einschlägigen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes 
auf die Gemeinden im Sinne der Gemeindeordnung (die „Gemeinden“ 
schlechtweg oder die „politischen Gemeinden“) nur in so weit zur 
Anwendung kommen, als vom öffentlichen Rechte nicht selbst des- 
bezügliche Bestimmungen getroffen sind bezw. die einschlägige Materie 
nicht vom öffentlichen Recht selbst geregelt ist. Ist diese Regelung 
wie z. B. bei der Materie der Handlungsfähigkeit der Gemeinden in 
einem Gesetze des öffentlichen Rechtes (bei dem soeben angeführten 
Beispiele in der Gemeindeordnung), in erschöpfender Weise ge- 
schehen, so sind lediglich diese Bestimmungen maßgebend, die civil- 
rechtlichen dagegen ausgeschlossen. 
Und so dürfte die Bestimmung des Art. 1 der Gem.-Ordn., 
daß die Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung „nach Maßgabe 
der Gesetze“ haben, für die hier vorwürfige Frage so auszulegen sein, 
daß in erster Linie die Gesetze des öffentlichen Rechtes und erst — 
soweit diese keine Bestimmungen treffen — in zweiter Linie diejenigen 
des bürgerlichen Rechtes in Betracht zu kommen haben. 
Im übrigen aber d. h. soweit civilrechtliche Materien nicht 
durch gesetzliche Bestimmungen des öffentlichen Rechtes geordnet sind, 
finden auf die Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Rechtssubjekte des 
Civilrechtes, als „juristische Personen“ auf dem Gebiete des Privat- 
rechtes, alle Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes Anwendung (da eben 
die Gemeinden, wie wiederholt gesagt, nicht blos Korporationen des 
öffentlichen Rechtes, sondern auch naturgemäß gesetzlich notwendige 
juristische Personen des bürgerlichen Rechtes sind). 
Dies vorausgeschickt, betrachten wir die einzelnen Punkte, be- 
züglich deren die Gemeinden als Subjekte des Civilrechtes erscheinen, 
also den eigentlichen Vorschriften des Civilrechtes bezw. des Civil= 
prozesses unterworfen sind. 
A. Handlungsfähigkeit und Rechtsfähigkeit. 
Obwohl dem Civilrecht angehörig, ist die Materie der Hand- 
lungs fähigkeit der politischen Gemeinden, sowie der Distrikts= und 
der Kreisgemeinden vollständig und erschöpfend durch das öffentliche 
Recht (Gemeindeordnung, Distriktsrats= und Landratsgesetz) geordnet. 
Die genannten Gemeinden, speziell die Gemeinden im Sinne 
der Gemeindeordnung sind demgemäß durchaus handlungsfähig, soweit 
nicht durch diese Gesetze selbst Beschränkungen gegeben sind. 
(Vergl. S. 18 ff.) 
Die allgemeine Beschränkung der Handlungs fähigkeit der 
Gemeinden, welche die früheren Gemeindegesetzgebungen) noch kannten, 
ist durch die Gem.-Ordn. von 1869 beseitigt. Daher können auch 
*!)aDer in die Gem.-Ordn. von 1869 nicht aufgenommene § 21 des Gem.= 
Ed. von 1818/34 bestimmte: Die Gemeinden stehen unter der besonderen Kuratel 
und Aufsicht des Staates und genießen die Vorrechte der Minderjährigen.
	        
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