§ 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 23
Civilrecht, d. h. durch diejenigen bürgerlichen Gesetze geregelt, welche
in der betr. Gemeinde bezw. für das betr. Verhältnis gelten.
Da die Gemeinden im weitesten Umfange erwerbsfähig sind,
besitzen sie auch
C. Die Erbfähigkeit,
d. h. die Fähigkeit, zu Erben, sei es für den ganzen Nachlaß des Erb-
lassers oder für einen Teil desselben eingesetzt zu werden und die
berr. Erbschaft oder ein Vermächtnis durch Annahmeerklärung zu er-
werben.
Es gilt dies ebenfalls in gleicher Weise für die Stadt= wie für
die Landgemeinden.)
Hieher einschlägig ist auch die Bestimmung des § 2072 des
bürgerl. Ges.-B.: „Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Be-
stimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die öffentliche
Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk er seinen letzten
Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete
unter Arme zu verteilen. 10)
D. Vorrecht auf Grund des Hypothekengesetzes.
Gemeinden und Stiftungen haben einen gesetzlichen Rechtstitel
zur Erwerbung einer Hypothek. Der § 12 Ziff. 2 des Hypotheken-
gesetzes vom 1. Juni 1822 bestimmt: Zur Erwerbung einer Hypothek sind
kraft des Gesetzes selbst und ohne daß dazu eine ausdrückliche Er-
klärung des Schuldners notwendig wäre, folgende Gläubiger berechtigt:
2) Stiftungen und Gemeinden, wegen aller durch Verwaltung
ihres Vermögens bestehenden Forderungen, auf den Im-
mobilien ihrer Verwalter und deren Bürgen, wenn nicht der
Beamte und dessen Bürgen bereits auf andere Weise mit
Einstimmung der Stiftungen oder Gemeinden und mit Ge-
nehmigung der ihnen vorgesetzten Behörde genügende Sicher-
heit gestellt haben. Vergl. unten lit. J S. 30.
Die Notwendigkeit der Erholung der hier vorgeschriebenen Ge-
nehmigung ist offenbar nach der Gem.-Ordn. von 1869 nicht weg-
*") Vgl. hiezu Erk. des obersten Ger.-Hofes. Sammlung Bd. 6, 223 und
225: Was die Frage betrifft, ob zur Annahme eines Vermächtnisses (oder einer
Erbschaft) für eine Stadtgemeinde durch den Stadtmagistrat die staatliche Ge-
nehmigung vom Kuratelstandpunkte aus erforderlich ist, eine Frage, welche
nur nach den für die diesseitigen Gemeinden geltenden Verwaltungsnormen be-
antwortet werden kann, so ist dieselbe zu verneinen, weil gemäß Art. 1 der
Gem.-Ordn. von 1869 die früher bestandene Kuratel für die Ge-
meinden im Prinzipe aufgehoben wurde 2c. Eine solche staatliche
Genehmigung ist nur in dem Fall nötig, wenn eine der Voraussetzungen gegeben
ist, unter welchen die an Stelle jener Kuratel ausnahmsweise in gewissen
Fällen getretene beschränkte Staatsaufsicht — Art. 26, 63, 159 der Gem.-Ordn.
— in Wirksamkeit zu treten hat.
10) Siehe hiezu auch § 2194 Satz 2 des bürgerl. Ges.-B.: Liegt die Voll-
ziehung (einer dem Erben gemachten Auflage) im öffentlichen Interesse, so kann
auch die zuständige Behörde (gegebenen Falles also auch die Gemeindebehörde) die
Vollziehung verlangen.