8 96 a. Gesetzestext zu Abt. III Abschn. I der Gemeindeordnung. Art. 35. 303
Gemeindevermögen, welche nach bisherigem Ortsgebrauche 145) gewährt
worden sind, im Falle des Bedürfnisses 146) für Gemeindezwecke 17)
durch jene in Art. 27 Abs. II ausgeschlossen — es finden also bei Beschluß-
fassungen nach Art. 35 die Vorschriften von Art. 145 Abs. IV und V ebenso wie
die von Art. 103 Abs. I und Art. 118 Abs. I keine Anwendung.
Einer staatsaussichtlichen Genehmigung bedarf dieser Einziehungsbeschluß
nicht. S. v. Kahr S. 309. Vergl. oben Anm. 142, desgl. Anm. 148 u. 150 I lit. c.
1,) Nutzungsrechte. Es fallen also nicht unter Art. 35 die nach Art.
31 Abs. II freiwillig und widerruflich gewährten Nutzungen, welche ohnedies
nicht weiter gewährt werden dürfen, sobald eine der Voraussetzungen für ihre Ge-
währung in Wegfall kommt. S. Aum. zu Art. 31 Abs. II. Es gehören hieher
aber auch nur die Nutzungsrechte, welche dem öffentlichen Rechte angehören,
d. h. auf dem Gemeindeverbande beruhen, nicht die privatrechtlichen. S. Anm. 149
und 130, auch Anm. 145 und 148, ferner Anm. 156 I lit. b.
1½) Es unterliegen also dem Einzuge nach Art. 35 nur die herkömm-
lichen, auf örtlichem Gewohnheitsrecht, nicht die auf einem Rechtstitel — auch des
öffentlichen Rechtes — beruhenden Nutzungsrechte.
Der Art. 35 entsprang der Anschauung, daß herkömmliche Nutzungen prä-
sumtiv auf einem Akte der Gemeindeautonomie beruhen und daß dieselben daher
durch eine spätere Aeußerung des Gemeindewillens auch wieder zurückgenommen
werden können: Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 1. Mai 1889 Bd 11, 184,
ferner ebenda S. 184: Es entsteht die Frage, ob Art. 35 unter den „nach bis-
herigem Ortsgebrauche gewährten Nutzungsrechten“ nur öffentlich-rechtlich
herkömmliche Nutzungen solcher Art versteht, welche auch im Falle einer notwendig
werdenden Umlagenerhebung aufrecht erhalten werden können, oder auch jene
auf Ortsgebrauch beruhende Nutzungen umfaßt, welche zwar gegenüber dem Ge-
meindebedarfe nicht bevorzugt, jedoch insolange, als subsidiäre Deckungsmittel nicht
erhoben werden, zulässig sind. Sowohl der Ausdruck „nach bisherigem Ortsge-
brauche“, als innere, sachliche Gründe sprechen dafür, daß Art. 35 beide Arten
von Nutzungen, sonach herkömmliche Nutzungsrechte im weiteren, wie im
engeren Sinne in sich begreift. — 2c. 2c. Alle auf Ortsgebrauch, auch die nicht
auf qualifiziertem Herkommen beruhenden Gemeindenutzungen haben durch
die Länge der Zeit einen gewissen rechtlichen Charakter angenommen 2c., so daß es
gerechtfertigt ist, ihre Zurückziehung nicht lediglich dem Belieben der jeweiligen
Gemeindeverwaltung oder selbst der einfachen Mehrheit der Gemeindeversammlung
anheimzugeben. Die Garantie, welche Art. 35 gegen eine nicht wirklich durch
ein gemeindliches Bedürfnis geforderte, willkürliche Zurückziehung von Nutzungs-
rechten den Inhabern bietet, wird daher an sich auch jenen Nutzungsrechten zu-
gedacht sein, deren bevorzugter Charakter nicht oder noch nicht feststeht rc.
S. Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes Bd. 11, 178 in Anm. 101 Nr. I lit. kk.
Siehe dagegen v. Kahr S. 309 ff. Note 4, besonders S. 311; auch Bl.
für admin. Pr. Bd. 20, 139; Bd. 29, 87 Note'" und 38, 311; endlich v. Seyd.
Bd. 2, 636, unten Anm. 150 Nr. II und III, spec. über den Begriff „Orts-
gebrauch“ in Art. 35 s. Bl. f. adm. Pr. 21, 405 in Anm. 150 II a. E.
11) Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 1. Mai 1889 Bd. 11, 185:
Im Sinne des Art. 35 ist ein Bedürfnis nicht erst dann gegeben, wenn
außerdem zur Erhebung subsidiärer Deckungsmittel geschritten werden müßte,
sondern auch schon dann, wenn die Gemeinde durch autonome Zurückziehung der
Nutzungen die Möglichkeit erhält, Gemeindezwecke reichlicher, nachhaltiger oder
schneller zu verwirklichen als sonst der Fall wäre.
1/3,) Nur für Gemeindezwecke, nicht zu Gunsten fremder Zwecke, z. B.
behufs Leistung einer Unterstützung an (auswärtige) Uberschwemmte, Abgebrannte
oder sonst Verunglückte kann eine solche Zurückziehung stattfinden.