362 II. Abschn. 8 102. Oertliche Abgaben oder Gebühren 2c.
Eine Einführung von örtlichen Abgaben durch die genannte
statutarische Beschlußfassung ist nur dann nicht erforderlich, wenn
diese örtlichen Abgaben in der Gemeinde schon vor Erlaß der Ge—
meindeordnung bezw. vor dem 1. Juli 1869 zu Recht bestanden
haben, also sich etwa auf ältere landesherrliche Verleihung, rechts-
begründetes Herkommen oder auf Gemeindebeschlüsse gründen, welche
schon unter der Herrschaft des Gemeindeedikts von 1818 giltig gefaßt
und, soweit erforderlich, von Kuratelwegen genehmigt wurden“. (Entsch.
des Verw.-Ger.-Hofes vom 22. Januar 1890 Bd. 12, 63 ff., speziell
S. 64 und 60).
Neben diesen Gemeinde= oder Ortsstatuten über Einführung
und Einhebung von örtlichen Abgaben — welche, soferne sie sich auf
Pflaster-, Weg= und Brückenzölle beziehen, ebenso wie die über Ver-
brauchsstenern dem kgl. Staatsministerium zur Genehmigung vorzu-
Es gehört daher auch zur Natur örtlicher Abgaben, daß über die Voraus-
setzungen ihres Anfalles, die Bemessung ihrer Höhe u. s. w. feste, ein für allemal
maßgebende, für die Beteiligten im Wesentlichen gleichförmige Grundsätze bestehen
d. h. daß die Gebühren reguliert sind. Eine derartige Regulierung, welche
gewöhnlich im Wege statutarischer Beschlußfassung erfolgen wird, kann sich zwar
auf Festsetzung der Abgaben für ein einzelnes Objekt z. B. einen bestimmten ge-
meindlichen Kanal beschränken, setzt jedoch immer voraus, daß diese Festsetzung nicht
von Fall zu Fall eintritt und wird sich, — zwar nicht notwendig aber doch regel-
mäßig — auch auf eine Mehrzahl von im vorneherein unbestimmten Gegen-
beteiligten bezw. Zahlungspflichtigen erstrecken. Selbstverständlich ist, wie jedes
andere Rechtssubjekt, ebenso die Gemeinde befugt, die Benutzung ihres Eigentums
und ihrer Anstalten dritten Personen auch gegen ein von Fall zu Fall bestimmtes
Entgelt einzuräumen; derartige Gegenleistungen, mögen sie als Mietzinsen,
Pachtgelder, Entschädigungen oder wie immer bezeichnet werden, sind jedoch nicht
örtliche Abgaben im Sinne des Art. 40 der Gem.-Ordn. und des Art. 8 Ziff. 31
des Verw.-Ger.-Hofs-Ges.: Ansprüche auf dieselben unterliegen vielmehr im All-
gemeinen den privatrechtlichen Vorschriften und im Streitfalle der eivilrechtlichen
Beurteilung.
Vergl. auch Entsch. vom 27. Februar 1889 Bd. 10, 385 in Anm. 3;
ferner Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 9. April 1880 Bd. 1, 224: Die Ent-
richtung von örtlichen Abgaben für die Benutzung gemeindlichen Eigentums, ge-
meindlicher Anstalten und Unternehmungen hat sich nach den hierüber bestehenden
Vorschriften zu bemessen, welche die Gemeinden kraft ihres Selbstverwaltungs-
rechtes, soweit nicht Gesetz oder Staatsverträge entgegenstehen, zu
erlassen befugt sind. Vertrag und Herkommen können als Befreiungsgründe im
verwaltungsrechtlichen Verfahren nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie ihre
Begründung im öffentlichen Rechte haben.
2) Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und den nach einer solchen statu-
tarischen Bestimmung in Anspruch Genommenen über die Verpflichtung zur Ent-
richtung örtlicher Abgaben sind nach Art. 8 Ziff. 31 des Verw.-Ger.-Hofs-Gesetzes
Verwaltungsrechtssachen.
Vergl. hiezu Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 10. Juni 1884 Bd. 5,
243: Eine gemäß Art. 40 Abs. IV der Gem.-Ordn. ministeriell genehmigte
Brückenzollordnung ist ihrem vollen Umfange nach statutarisches Gesetz.
Wenn über dessen Anwendung auf einen gegebenen Fall Streit entsteht, so
erscheint die Gemeinde, welche das betreffende Statut erließ, als Partei, und es
steht demgemäß die Auslegung der Bestimmungen eines solchen Statuts nicht mehr
der Gemeinde, sondern lediglich dem Verwaltungsrichter zu.