8 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 35
§ 2. Die vorzüglichste Rücksicht bei der Bildung der Ge—
meinden soll darauf genommen werden, daß ihre Grenzen mit der
natürlichen Lage übereinkommen und alle Teile der Verwaltung so
in sich einschließen, daß ihr Umkreis auch zugleich die Grenze des
Steuerdistriktes, des Schulbesuches, des Pfarrsprengels u. s. f., soviel
möglich, auf gleiche Weise bestimmt. —
Doch nach ihrem jetzigen Bestande erhielten die Gemeinden
ihre eigentliche Bildung erst auf Grund des revidierten Gemeinde-
Ediktes vom 17. Mai 1818 (mit kgl. Entschließung hiezu vom
17. Juni 1818)..“) (Siehe oben § 92 S. 2.) Dieselbe verblieb
auch bei der im Jahre 1834 erfolgten Revision dieses Ediktes.
Diese Gemeindegesetzgebung von 1818/34 stellte den Grundsatz
auf, daß jede nicht bereits zu einer Gemeinde gehörige Grundbesitzung
einer politischen Gemeinde zugeteilt werden muß, und nahm von diesem
Zuteilungszwange nur größere, 15) außer den bisherigen Ortsmark-
ungen liegende Waldungen, Seen und Freigebirge3ö) aus.
Durch Art. 2 der Gem.-Ordn. von 1869 ist nun bestimmt,
daß die am 1. Juli 1869 bestehenden Gemeinden und Gemeinde-
bezirke beibehalten werden, solange sich nicht nach Maßgabe dieser
Gem.-Ordn. Aenderungen ergeben.
Der Zweck dieses Art. 2 ist offenbar der, zu statuieren, daß
an der durch die obengenannte Gemeindegesetzgebung herbeigeführten
Gemeindebildung bezw. an dem bisherigen Zustande derselben in der
Regel nichts geändert werden soll. 16) (Vergl. hiezu Hauck-Lindner,
Comm. S. 23 f.)
*““) Siehe hiezu Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 19. Mai 1882, Bd. 3
S. 716: Die Edikte vom 28. Juli und 24. September 1808 haben über die Zu-
teilung größerer Waldungen an Gemeinden Bestimmungen nicht enthalten, die
Verordnung vom 13. Mai 1808 hat lediglich die Regelung des Steuerwesens im
Auge, die Bildung der politischen Gemeindeverbände dagegen gelangte erst
mit dem Edikte von 1818 zur Durchführung, sonach kann diese letztere
Gesetzgebung allein für die konkreten Gemeindezugehörigkeitsverhältnisse maß-
gebend sein.
15) Unter „Freigebirge“ sind (nach v. Kahr S. 75 Anm. 5) „die — keinem
Gemeindebezirke zugehörigen, größtenteils im Staatseigentume befindlichen — teils
öden und kahlen, teils zur Alpenwirtschaft als Weide dienenden höheren Regionen
der Gebirge“ zu verstehen. „Größere“ Waldungen sind geschlossene zusammen-
hängende Waldkomplexe, welche „ein größeres Areal haben und bisher nicht schon
einer Gemeindemarkung einverleibt gewesen sind“. Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes
in Bd. 3, 713.
16) Siehe Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 30. Dezember 1886 Bd. 9, 1,
unten in § 94a Anm. 9 lit. g zu Art. 2 der Gem.-Ordn., besonders aber die
Ausführungen auf S. 4 f. daselbst: Aus den einschlägigen Verhandlungen der
Gesetzgebungsfaktoren zu Art. 2 geht hervor, daß der Zweck des Art. 2 gerade
der war, festzustellen, daß an dem Zustande der Gemeindebildung nach der Gesetz-
gebung vom Jahre 1818|34, insbesondere an den durch die blos polizeiliche Zu-
teilung zu einer politischen Gemeinde geschaffenen Rechtsverhältnissen durch die
neue Gesetzgebung nichts geändert werden solle. Die Gemeindegesetzgebung von
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