§ 139. Die Staatsaufsicht. Art. 154. 549
ist; letztere ist also solchen Falles Bedingung und Voraussetzung der Rechtswirk-
lamkeit der betreffenden Rechtshandlung. (Siehe hiezu die Bestimmungen des
Art. 159.)
Das staatsaufsichtliche Einschreiten geschieht entweder von Amtswegen oder
auf Beschwerde bezw. Anrufen der im einzelnen Falle Beteiligten; doch auch
letzteren Falles findet es nur statt, wenn ein durch Art. 156 und 157 mit 159
geschaffenes Verhältnis zwischen dem Staate einerseits und der seiner Aufsicht unter-
stellten Gemeinde andrerseits vorliegt; weiter aber hat die Geltendmachung der
Staatsaufsicht in jedem Falle — also auch, wenn einem Einzelnen ein Be-
schwerderecht zusteht — von Amtswegen dann zu erfolgen, wenn eine Verletzung
des Art. 157 Abs. I Ziff. 1—4 gegeben ist.
Die Ausübung der Staatsaufsicht ist eine Verwaltungsthätigkeit des
Staates und trägt ein diesbezüglicher Beschluß nicht den Charakter einer ver-
waltungsrechtlichen Entscheidung; staatsaufsichtliche Verfügungen oder Beschlüsse
können daher auch in der Regel nicht auf dem Verwaltungsrechtswege angefochten
werden'), nur mit Ausnahme des Art. 10 Ziff. 2 des Verw.-Ger.-Hofs-Ges.),
nämlich dann, „wenn von einer Gemeinde behauptet wird, daß durch solche Ver-
fügungen das ihr gesetzlich zustehende Verwaltungsrecht verletzt oder daß ihr eine
gesetzlich nicht begründete Leistung auferlegt sei.“ —
Die allgemeinen Grundsätze über Rechtskraft und deren Wirkung finden
aber auch auf staatsaufsichtliche Beschlüsse und Verfügungen der Verwaltungs-
behörden Anwendung, in welchen über das Bestehen oder Nichtbestehen von ge-
setzlichen Verpflichtungen der Gemeinden Entscheidung getroffen wird, ferner sind
Einwendungen gegen staatsaufsichtliche Aufforderungen im Sinne des Art. 157
Abs. V der Gem.-Ordn. an die 14tägige Beschwerdefrist nicht gebunden. (Entsch.
des Verw.-Ger.-Hofes vom 21. Januar 1881 Bd. 2, 501 ff.).
Ueberhaupt ist die Ausübung der Staatsaufsicht in der Regel an keine
Frist gebunden (Ausnahmen siehe Art. 88 Abs. VII und Art. 135 Abs. III).
Endlich ist noch zu bemerken, daß die Vorschriften des Art. 157 der Gem.=
Ordn. auf staatsaufsichtliche Verfügungen gegenüber den Kirchenverwaltungen und
Kirchengemeinden keine Anwendung finden (Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes Bd. 2,
495 und 499 Nr. IV). #
Vergl. auch die Min.-Entsch, vom 7. August 1881 und vom 19. Juli 1892,
die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinden und Distrikte betreffend (Web. 15,
386 und 21, 679).
Siehe endlich auch noch Sternaus?""), Wörterbuch für Bürgermeister 2c.
unter „Staatsaufsicht“ S. 193, 538 und besonders 652 ff.
Zu Art. 154.
1) Die Staatsaufsicht besteht in der Wahrung des gesetzlichen Stand-
punktes bezw. in der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gegenüber
den Gemeinden durch die hiezu berufenen Staatsbehörden, speziell in der Für-
sorge des Staates dafür, daß von den Gemeinden einerseits die ihnen nach Gesetz
obliegenden Verpflichtungen erfüllt, und andrerseits die der gemeindlichen Selbst-
verwaltung im einzelnen Falle gezogenen Schranken nicht überschritten, besonders
auch in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Genehmigung der vorgesetzten
Verwaltungsbehörde erholt werde. " "
Diese Wahrung des Gesetzes erfolgt in der Regel in der Weise, daß die
Gemeinden vom Staate angehalten werden, ihren gesetzlichen Verbindlichkeiten
nachzukommen, daß gegebenen Falles die Staatsbehörde das von der Gemeinde
Unterlassene, gesetzlich Gebotene selbst anordnet und durchführt (bezw. gesetzlich
Verbotene einstellt oder aufhebt), eventuell auch die betreffenden Beamten oder
*) Andrerseits können Verwaltungsrechtssachen nicht auf dem Wege der Erlassung staats.
aufsichtlicher Verfügungen oder Beschlüsse erledigt werden. # ç
**) Die zu Art. 10 Ziff. 2 ergangenen Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes siehe unten bei Anm. 4.
*#P*) Ein für den Gebrauch in der Praxis sehr empfehlenswertes Nachschlagewerk, besonders
auch wertvoll für die Gemeindebehörden, erschienen im Verlage von Brügel & Sohn. Ansbach 1898.