68 8 94a. Gesetzestext zu Art. 1 bis 9 der Gemeindeordnung. Art. 1.
meinden gezogenen Schranken wird durch die den betr. Gemeinden vorgesetzte Ver—
waltungsbehörde ausgeübt. Ueber dieses Aufsichtsrecht sowie die Grenzen des
gemeindlichen Selbstverwaltungsrechtes siehe unten die Erörterungen zu Art. 154
ff. der Gem.-Ordn., ferner die Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes Bd. 6, 83 und 86
in vorstehender Anm. 3 und
Ueber den Begriff der Gemeindeangelegenheiten, sowohl der eigentlichen als
der übertragenen s. die Ausführungen zu Art 84 der Gem.-O. mit Anm. hiezu.
*b) Bezüglich des Petitions= und Beschwerde-Rechts der Gemeinden (s.
oben § 94 Nr. II Lit. G. Ziff. 3 S. 27, ferner v. Seydel Bd. 1, 363 ff.) ist
speziell noch hieher folgendes zu bemerken:
a) Das Beschwerderecht ist auch den Gemeinden durch Tit. VII § 21
Abs. I der Verf.-Urk. in der Fassung des Gesetzes vom 19. Januar 1872
Abschnitt II Ziff. 2 eingeräumt (s. oben § 90 S. 500 Anm. 76, auch
77 auf S. 501).
b) Das Petitionsrecht, d. h. das Recht, mit einer Bitte sich an die beiden
Kammern des Landtages richten zu dürfen, ist (wenn auch nicht
durch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, so doch) durch die
Praxis auch den bayerischen Gemeinden zugestanden; aber nicht blos
an die bayerischen Kammern, sondern auch an den Reichstag können
seitens der bayerischen Gemeinden ebenso wie seitens der übrigen deut-
schen Gemeinden Petitionen gerichtet werden und hat der Reichstag
das Recht, diese Petitionen, soferne sie sich auf Gegenstände beziehen,
welche zur Zuständigkeit des Reiches gehören, gemäß Art. 23 der Reichs-
verfassung dem Bundesrat resp. dem Reichskanzler zu überweisen. Siehe
hiezu von Seyd. Commentar zur Verf.-Urk. des deutschen Reichs 2. Aufl.
1897 Note II zu Art. 23 der Reichsverf. S. 203; ferner Laband,
Staatsrecht 3. Aufl. Bd. I S. 268 und Note 3 daselbst.
Ein in Regers Entscheidungen Bd. 7 S. 128 ff. mitgeteiltes Urteil des
preußischen Oberverw.-Ger.-Hofes vom 10. März 1886 behandelt ausführlich das
Petitionsrecht der Gemeindevertretungen, allerdings nach preuß.
Gesetze, allein die desbezüglichen Erörterungen sind im Ganzen und Großen auch
in Bayern maßgebend. Unbedingte Voraussetzung für die Ausübung des Petitions-
rechtes seitens einer bayerischen Gemeinde ist, daß die betreffende Petition auf eine
Sache oder Angelegenheit sich bezieht, zu welcher die Gemeindevertretung zuständig
ist, welche also auf Grund der Gemeindeordnung oder eines anderen Gesetzes den
Gemeinden an sich zusteht oder zur Besorgung besonders übertragen ist.
Unter keinen Umständen darf sich daher eine solche Petition lediglich auf
Staats-Politik oder sonstige Angelegenheiten beziehen, welche gar nicht zum Wirk-
ungskreis der Gemeinden bezw. ihrer Vertretung, vielmehr nur zur Zuständigkeit
des Staates bezw. des Reichs gehören und weder gemeindliche Vermögensrechte
noch sonstige Interessen der Gemeinden oder ihrer Bevölkerung speziell berühren.
Vgl. hiezu Art. 84, desgl. 112 bezw. Art. 130 der Gem.-Ordn. Das Petitionsrecht
der Gemeinden und ihrer Vertretung ist daher einerseits wohl auf die Gemeinde-
angelegenheiten (über diese s. die Anm. zu Art. 84 der Gem.-Ordn.) be-
schränkt, andrerseits aber erstreckt sich dasselbe nicht blos auf die eigentlichen,
sondern auch auf die übertragenen Gemeindeangelegenheiten, also beispielsweise
auch auf polizeiliche Gegenstände, soweit die Polizei den Gemeinden zusteht. (Orts-
polizei für Landgemeinden und mittelbare Städte oder Märkte mit städtischer
Verfassung, Orts= und Distriktspolizei für unmittelbare Städte, Art. 92—95 (vergl.
jedoch auch Art. 97 und 98) bezw. 138 ff. der Gem.-Ordn.); besonders müssen aber
den Gemeinden auch Petitionen gestattet sein, welche die Gesetzgebung über das
Gemeindewesen selbst betreffen. In gleicher Weise auch Petitionen, welche sich auf
Förderung und Hebung von Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft inner-
halb der Gemeinde und auf die hierauf gerichteten Einrichtungen z. B. Er-
richtung von Eisenbahnen, Erbauung von Kanälen, Herstellung günstiger Verkehrsver-