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gelangt der Krankheitsstoff durch Hautabschürfungen, Wunden an den Händen
oder Kratzstellen am Halse, im Gesichte usw. in den menschlichen Körper; auch
in Mund und Nase kann er mit dem Staube eindringen. Die mit Rohhäuten
beschäftigten Personen können ferner infolge der Verunreinigung von Kleidern,
Kopf= und Barthaaren, Händen und dgl. das Milzbrandgift verschleppen.
Durch Verunreinigung von Futter und Streu mit den von Rohhäuten
stammenden Staubteilen und Haaren, durch Einstreu der zum Gerben der
Häute benutzten Lohe in Ställe und Laufplätze, sowie infolge der Wartung von
Tieren durch Personen, welche mit der Verarbeitung oder Verpackung der Häute
beschäftigt waren, kann der Milzbrand auf Vieh übertragen werden. Selbst die
Verwendung von Gerbereiabfällen und Kehricht als Dungmittel auf Wiesen und
Feldern, sowie das Einlegen der Rohhäute in Gewässer kann unter Umständen
zur Verschleppung des Milzbrandgiftes führen.
Zur Minderung der Ansteckungsgefahr mögen die nachstehenden Vorsichts-
maßregeln empfohlen werden, und zwar besonders solchen Berufsklassen, welche
gewerbsmäßig mit Rohhäuten überseeischer Herkunft sich beschäftigen.
1. In Räumen, welche zur Aufbewahrung von Futter und Streu dienen,
sollten Rohhäute nicht lagern.
2. Die Lagerplätze für Rohhäute sollten nur an abgelegenen Orten und
namentlich nur in größerer Entfernung von Wohnräumen und Stallungen ein-
gerichtet, dicht umfriedigt und für Tiere nicht zugänglich sein.
3. Personen mit Hautabschürfungen oder Wunden an den Händen, dem
Halse oder im Gesicht sollten zu Arbeiten mit Rohhäuten nicht zugelassen werden.
4. Die Entwickelung von Staub beim Oeffnen von Rohhautballen, sowie
beim Sortieren, Aufsetzen, Einpacken, Verladen und Verarbeiten der Häute und
Felle ist tunlichst zu vermeiden. Erforderlichenfalls sind Häute und Felle zu
diesem Zwecke mit Wasser zu besprengen.
5. Die zum Gerben verwendete Lohe, ferner die Haare und sonstigen Ab-
fälle aus Gerbereien, die zur Verpackung von Rohhäuten verwendeten Stroh-
teile, Lumpen, Stricke und dgl., sowie endlich der Kehricht sollten verbrannt
oder nach vorgängiger Desinfektion vergraben werden.
6. Plätze, auf welchen Rohhäute gelagert oder bearbeitet find, sollten nach
der Benutzung gründlich gereinigt und in angemessenen Zwischenräumen des-
infiziert werden.
7. Die Reinigung der Lagerräume, Arbeitsplätze usw. sollte nur auf nassem
Wege geschehen.
8. Für die Desinfektion (s. Nr. 5 und 6) empfiehlt sich Chlorkalkmilch (her-
gestellt aus einem Teil frischem Chlorkalk und drei Teilen Wasser). Kehricht
und sonstige Abfälle find behufs Desinfektion mit Chlorkalkmilch gründlich zu mischen.
Ein zuverlässiges, leicht auszuführendes und für die Ware selbst unschädliches
Verfahren zur Desinfektion der Häute ist nicht bekannt.
9. Die mit den Rohhäuten beschäftigten Personen sollten sich vor jedem
Esseen und vor dem Verlassen der Arbeitsräume Gesicht, Arme und Hände, sowie
Kopf= und Barthaare gründlich reinigen.
Wer nach dem Arbeiten mit Rohhäuten ein anfangs kleines, bald größer
werdendes dunkles, schmerzhaftes Bläschen oder eine solche Beule an Händen,
Armen, im Gesicht oder an anderen unbedeckten Körperstellen bemerkt, sollte sich
sofort in ärztliche Behandlung begeben, da jede Vernachlässigung schwere Ge-
fahren im Gefolge haben kann.
Die beteiligten Kreise mache ich hierauf besonders aufmerksam.
Liegnitz, den 9. Februar 1903.
Der Regierungspräfident.