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9. Bekanntmachung, betr. die Uebertragung von Infektionskrankheiten,
vom 7. August 1005 (Amtsbl. S. 215).
Die Frage, ob und in welchem Umfange Infektionskrankheiten durch die
gemeinsame Benutzung von Gebrauchsgegenständen durch mehrere Personen
übertragen werden können, ist in neuerer Zeit wiederholt Gegenstand wissenschaft-
licher Untersuchungen gewesen.
Eine bemerkenswerte Arbeit über diesen Gegenstand hat der Direktor des
hogienischen Instituts der Universität Göttingen, Professor Dr. E. von Esmarch
unter dem Titel „Verbreitung von Infektionserregern durch Gebrauchsgegen-
stände und ihre Desinfektion“ in Nr. 2 der „Hygienischen Rundschau“ Jahr-
gang 1901 veröffentlicht. In derselben wird der Nachweis geführt, daß die
Diphtheriebakterien bis zu 15 Tagen, der Bazillus prodigiosus, der Wunder-
pilz, auch Bazillus der blutigen Hostie genannt, bis zu 3 Monaten, an Eß= und
Trinkgeschirren angetrocknet, lebensfähig bleiben, und daß eine ausreichende Be-
seitigung dieser Keime durch Abwaschen der Gläser und Trockenreiben mit
sterilen Tüchern nicht zu erreichen ist. Auch Gabeln und Messer ließen sich
durch bloßes Abreiben von Krankheitserregern nicht befreien. Dies gelang da-
gegen vollkommen durch Behandlung mit einer 2prozentigen Sodalösung von
500 C innerhalb einer Minute.
Auf Grund dieser Versuche empfiehlt von Esmarch für Heil= und Kur-
anstalten, Hotels und dgl., in denen Kranke mit einer übertragbaren Krankheit
sich aufhalten, aber auch für Privatfamilien eine entsprechende Reinigung und
W der für den Gebrauch dieser Kranken bestimmten Eß= und Trink-
geschirre.
Die Arbeit von Esmarchs ist dem Direktor des Instituts für Infektions-
krankheiten hierselbst zur gutachtlichen Aeußerung übersandt worden. Der
hierauf erstattete Bericht bestätigt die Ergebnisse der von Esmarchschen Unter-
suchungen und kommt zu dem Schluß, daß zwar die Durchführung der
empfohlenen Reinigungs= und Desinfektionsverfahren in der Praxis auf
Schwierigkeiten stoßen werde, daß aber der Versuch zu machen sei, auf dem
Wege der öffentlichen und privaten Belehrung eine größere Reinlichkeit in der
Behandlung der Eß- und Trinkgeschirre und Gebrauchsgegenstände in öffent-
lichen Wirtschaften, Kranken-, Erziehungsanstalten und dgl. zu erzielen.
Dieser Auffassung find die Herren Minister der geistlichen, Unterrichts-
und Medizinalangelegenheiten und für Handel und Gewerbe in einem an mich
gerichteten Erlasse vom 7. Juli d. Is. beigetreten.
Vorstehende Bekanntmachung wird hiermit den Bezirkseingesessenen zur
Beachtung dringend empfohlen.
Liegnitz, den 7. August 1905.
Der Regierungspräsident.
10. Holizeiverordnung, betr. die Anzeigepflicht bei dem Auftreten von
Diphtheritis, vom 10. August 1887. (Amtsbl. S. 246.)
Auf Grund des § 137 des Gesetzes über die Allgemeine Landesverwaltung
vom 30. Juli 1883 und der §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über die Polizei-
verwaltung vom 11. März 1850 verordne ich unter Zustimmung des Provinzial-
raus für den Umfang der Provinz Schlesien, ausgenommen die Stadt Breslau,
olgendes:
§ 1. Jeder Arzt, sowie jede Medizinalperson, ist verpflichtet, sobald ein
Fall von Erkrankung an Diphtheritis zu seiner Kenntnis gelangt, denselben