II. Bei Verwendung von Menschenlymphe.
8 5. Die Impflinge, von welchen Lymphe zum Weiterimpfen entnommen
werden soll (Ab-, Stamm-, Mutterimpflinge) müssen zuvor am ganzen Körper
untersucht und als vollkommen gesund und gut genährt befunden werden. Sie
müssen von Eltern stammen, welche an vererbbaren Krankheiten nicht leiden,
insbesondere dürfen Kinder, deren Mütter mehrmals abortiert oder Frühgeburten
überstanden haben, als Abimpflinge nicht benutzt werden.
Der Abimpfling soll wenigstens sechs Monate alt, ehelich geboren und
nicht das erste Kind seiner Eltern sein. Von diesen Anforderungen darf nur
ausnahmsweise abgewichen werden, wenn über die Gesundheit der Eltern nicht
der geringste Zweifel obwaltet.
Der Abimpfling soll frei sein von Geschwüren, Schrunden und Ausschlägen
jeder Art, von Kondylomen an den Gesäßteilen, an den Lippen, unter den
Armen und am Nabel, von Drüsenanschwellungen, chronischen Affektionen der
Nase, der Augen und Ohren, wie von Anschwellungen und Verbiegungen der
Knochen, er darf demnach kein Zeichen von Syphilis, Skrophulose, Rhachitis
oder irgend einer anderen konstitutionellen Krankheit an sich haben.
§ 6. Lymphe von Wiedergeimpften darf nur im Notfall und nie zum
Impfen von Erstimpflingen zur Anwendung kommen.
Die Prüfung des Gesundheitszustandes eines wiedergeimpften Abimpflings
muß mit besonderer Sorgfalt nach Maßgabe der im § 5 angegebenen Gesichts-
punkte geschehen.
§ 7. Jeder Impfarzt hat aufzuzeichnen, von wo und wann er seine Lymphe
erhalten hat. Insbesondere hat er, wenn er Lymphe zur späteren eigenen Ver-
wendung oder zur Abgabe an andere Aerzte aufbewahren will, den Namen der
Impflinge, von denen die Lymphe abgenommen worden ist, und den Tag der
erfolgten Abnahme aufzuzeichnen. Die Lymphe selbst ist derart zu bezeichnen,
daß später über die Abstammung derselben ein Zweifel nicht entstehen kann.
Die Aufzeichnungen sind bis zum Schlusse des nachfolgenden Kalenderjahres
aufzubewahren.
§ 8. Die Abnahme der Lymphe darf nicht später als am gleichnamigen
Tage der auf die Impfung folgenden Woche stattfinden.
Die Blattern, welche zur Entnahme der Lymphe dienen sollen, müssen
reif und unverletzt sein und auf einem nur mäßig entzündeten Boden stehen.
Blattern, welche den Ausgangspunkt für Rotlauf gebildet haben, dürfen
in keinem Falle zum Abimpfen benutzt werden.
Mindestens eine Blatter muß am Impfling uneräffnet bleiben.
§ 9. Die Eröffnung der Blattern geschieht durch Stiche oder Schnittchen.
Das Quetschen der Blattern oder das Drücken ihrer Umgebung zur Ver-
mehrung der Lymphmenge ist zu vermeiden.
§ 10. Nur solche Lymphe darf benutzt werden, welche freiwillig austritt
und, mit bloßem Auge betrachtet, weder Blut noch Eiter enthält.
Uebelriechende oder sehr dünnflüssige Lymphe ist zu verwerfen.
§ 11. Nur reinstes Glyzerin darf mit der Lymphe vermischt werden.
Die Mischung soll mittelst eines reinen Glasstabes geschehen.
C. Ausführung der Impfung und Wiederimpfung.
§ 12. Die zu impfenden Kinder sind vom Impfarzte vor der Impfung zu
besichtigen; auch sind die begleitenden Angehörigen von ihm über den Gesund-
heitszustand der Impflinge zu befragen.
Kinder, welche an schweren akuten oder chronischen, die Ernährung stark
beeinträchtigenden oder die Säfte verändernden Krankheiten leiden, sollen in der
Regel nicht geimpft und nicht wiedergeimpft werden.