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leichter erreicht und nicht sicherer gewahrt werden, als indem
die Gleichheit der Auffassungen und Bestrebungen zunächst und
vor allen Dingen auf dem rein politischen Gebiet angestrebt
wird. Eine Verständigung in dieser Richtung läßt sich er-
reichen, ohne die selbständige Entwicklung zu beeinträchtigen,
welche jeder Staat den eigentümlichen und gegebenen Inter-
essen seiner Untertanen auf dem Gebiete materieller Interessen
zu gewähren schuldig ist. Das Hinüberziehen von handels-
politischen und industriellen Interessen auf das politische Gebiet
und umgekehrt erschwert eine aufrichtige Verständigung,
während anderseits eine solche auf dem einen Gebiet in hohem
Grade erreicht sein kann, ohne daß auf dem anderen momentan
oder bleibend dieselbe Aussicht geboten wird. Betrachten Sie
doch nur einmal die Beziehungen Preußens zu Mecklenburg,
die stets persönlich und politisch die intimsten waren, während
handelspolitisch jede Gemeinschaft fehlte. Der langjährige Be-
stand der freundschaftlichen Beziehungen Preußens zum St.
Petersburger Kabinett war von dem Gegensatz der Zoll-
Handels-Systeme beider Länder ebenso unabhängig, wie das
gemeinsame Streben Preußens und Frankreichs nach freierem
Handelsverkchr von der politischen Stellung der beiden
Staaten zu einander. Die Anwendung dieser Betrachtungen
auf das von uns erstrebte Verhältnis zum kaiserlich öster-
reichischen Kabinett liegt nahe. Eine freisinnige Handels-
politik ist uns durch die unabweisbaren Bedürfnisse unseres
Landes geboten und wir haben die Prinzipien derselben,
welche für England die gedeihlichsten Früchte getragen und
welchen Frankreich und Belgien sich nicht länger entziehen
konnten, auch innerhalb des Zollvereines zum Vorteil unserer
Zollverbündeten wie zu unserem eigenen im vorsichtigen Fort-
schritt uns anzueignen gesucht. Der Vertrag mit Frankreich ist
ein unentbehrliches Glied in der Reihe der dazu nötigen han-
delspolitischen Maßnahmen gewesen, und wir würden ohne