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Berlin, den 18. Mai 1866.
Unterredung (die letzte vor dem Bruch)
mit dem Appelationsgerichtspräsidenten
Ludwig von Gerlach, betr. die Differenz-
punkte zwischen beiden.)
Bismarck, der Gerlach im töte-à-töte, abends 11 Uhr,
sprach, leugnete alles aggressive Verhalten gegen Oesterreich,
sprach von Oesterreichs aus einem Erxtrem ins andere sprin-
gender, unbesonnener Wut, leugnete alle Bundeskompetenz
für schleswig-holsteinische Verhandlungen, beteuerte, daß er
kein Tollkopf sei, der das Land in Krieg verwickeln wolle;
er müsse aber selbständig nach eigener Einsicht ohne Einfluß
anderer'handeln; usw. Gerlach vermied Streit über die Haupt-
sache als doch jedenfalls vergeblich, setzte aber wegen seiner
allgemein angenommenen Quasi-Identität mit der Kreuz-
zeitung seinen Beruf auseinander, nicht zu schweigen zu ihren
Ungerechtigkeiten, Drohungen und Hetzereien und zu denen
der mit ihr Hand in Hand gehenden offiziellen und halb-
Ludwig von Gerlach seine Szenen mit Bismarck. Thile: „Wo llen
Sie kein deutsches Land an Frankreich abtreten?“ Bismarck:
„Keinen Zoll breit.“ Thile: „Wollen Sie keine französische Alli-
anz gegen den deutschen Bund oder gegen Oesterreich?“ Bismarck:
„Herr, wie können Sie mich so ad articulos ausfragen?“ Ferner:
vor etwa vierzehn Tagen Bismarck gegen Thile: das sei Preu-
hens Verderben und die Ursache der Kleinstaaterei, daß jeder
seinen eigenen Kopf haben, niemand seinem Führer und Chef
folgen wolle. Ludwig v. Gerlachs Aufzeichnungen, Bd. II, S. 289.
*) Aufzeichnungen Ludwig von Gerlach Bd. II S. 291.
Am Abend des 7. Mai (Nr. vom 8. Mai) erschien in der „Kreuz-
zeilung“ eine Erklärung Ludwig von Gerlachs „Krieg und
Bundesreform“, die als ein Bismarck hingeworfener Fehdehand-
schuh bezeichnet werden konnte. Ein Brief von Beutner d. d.
12. Mai 1866 enthält folgende Stelle: „Herr von Bismarck hat
mich ersucht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr neulicher Aufsatz ihn
schwer gekränkt und schwerer verletzt habe als das Attentat von
demselben-Tage; Sie hätten ihm, meint er, privatim sagen sollen,
was Sie ihm zu sagen hatten.“