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weilte, stellte sich der preußische Zivilkommissär für Sachsen,
Landrat von Wurmb dem König und Biesmarck vor. Bei
dieser Gelegenheit äußerte sich Bismarck ungehalten über das
Verbleiben Beusts in seiner Stellung als sächsischer aus-
wärtiger Minister. „Die Entlassung Beusts ist eine Vor-
bedingung für die Eröffnung der Friedensberatung mit
Sachsen. Auch muß ich meiner Verwunderung darüber Aus-
druck geben, daß von Sachsen noch niemand erschienen ist,
um über den Frieden, oder auch nur über den Abschluß eines
Waffenstillstandes zu verhandeln.““)
Berlin, den 5. August 1866.
Unterredung mit dem Herrenhausmitglied
v. Kleist-Retzow, betr. das Indemnitäts-
gesuch.“)
Bei der Verlesung der Thronrede zur Eröffnung des
Landtages, worin die bedeutungsvolle Stelle von der In-
—
*) Friesen. Erinnerungen aus meinem Leben.
In Eörlitz wurde dem König ein feierlicher Empfang
bereitet. Junge Damen überreichten ihm und ebenso auch den
Prinzen Lorbeerkränze. Auch Bismarck sollte einen solchen Kranz
haben. Der aber meinte zu der schönen Spenderin: „Nein, mein
gnädiges Fräulein, ich verdiene diese Ehre nicht. Ich bin nicht
Kombattant gewesen und habe an den Siegen keinen Anteil!“
— Im ersten Augenblick wurde das junge Mädchen durch diesen
unerwarteten Einwand völlig aus dem Tert gebracht. Sie wußte
sich jedoch zu helfen. „Aber Ew. Exzzellenz haben doch den
Krieg angefangen“, versetzte sie, und lachend nahm nun Bismarck
den Kranz.
*“) Kleist hatte durch Bruch des Amtsgeheimnisses eines
Mitgliedes des Ministeriums vorzeitig von der Absicht der Regie-
rung erfahren, in die Thronrede eine Stelle aufzunehmen, die
die Ankündigung eines Indemnitätsgesuches enthalten sollt:. So-
fort setzte er eine Denkschrift an Bismarck auf, in der er dirsen
von dem seiner Ansicht nach verhängnisvollen Schritte abzuhalten
suchte. Dr. v. Petersdorff Kleist-Retzow S. 383.