Full text: Also sprach Bismarck. Band I. 1846 - 1870. (1)

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interessiertheit gegenüber Preußen bekundet, daß ich dem nicht 
habe Glauben schenken können. Da ich nicht annehmen konnte, 
daß eine solche Haltung bei einem Mann wie dem Kaiser das 
Fehlen von Ansichten und Entschlüssen verbirgt, so habe ich 
mir dieses Verhalten damit erklärt, daß er einen geheimen 
im Innersten seines Herzens verborgenen Gedanken hegt. Ihm 
schwebte wohl als Ziel seiner Wünsche ein Kampf zwischen 
Preußen und Oesterreich vor; der Ausgang eines solchen 
Kampfes mußte notwendigerweise Italien freimachen; und 
wenn Preußen, nach den Wünschen und der Hoffnung des 
Kaiserlichen Rechners unterlag, so mußte sich eine ganze Welt 
von glänzenden Perspektiven vor ihm auftun. 
Natürlich war der Gedanke nicht geeignet, mir eine große 
Gemütsruhe zu gewähren. Ich war im geheimen darüber 
erregt und habe mich einer so außerordentlichen Haltung ge- 
genüber in der Rolle jenes Tierbändigers gefühlt, welcher 
sich täglich einem ungeduldigen Engländer gegenüber befindet, 
der auf den Augenblick wartet, wo er endlich von seinen Löwen 
verschlungen werden wird. 
Indeß überstürzten sich die Ereignisse und trotz aller An- 
strengungen der preußischen Diplomatie ist die Sphinz der 
Tuilerien undurchdringlich geblieben. Mehr und mehr erregt 
über dies Rätsel habe ich der Situation ein Ende mächen 
wollen. Ich habe unseren Botschafter in Paris'") beauftragt, 
einen entscheidenden Schritt bei Ihrem Kaiser zu unternehmen 
und eine Erklärung Seiner Majestät zu provozieren. Aber 
auch diese äußerste Anstrengung ist unwirksam geblieben. Herr 
von der Goltz hat zugestehen müssen, daß es ihm unmöglich 
gewesen, eine Antwort zu erlanen 
Trotz der Berichte der preußischen Botschaft in Paris 
über den Zustand der französischen Armee hat doch in dieser 
Beziehung in Berlin viel Ungewißheit bestanden. Ich habe 
darüber, bevor ich den Krieg mit Oesterreich begann, Ge- 
  
*) Graf von der Goltz.
	        
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