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dem System der Delegationen gegenüber, welches damals von
Oesterreich und Bayern befürwortet wurde, der deutschen Na-
tion notwendigerweise etwas ihr mehr Zusagendes geboten
werden mußte, und daß, wenn man überhaupt eine im Volke
Boden fassende Institution schaffen wollte, ein von dem Volke
unmittelbar gewähltes Parlament allein möglich und ein sol-
ches auch allein Deutschlands würdig gewesen sei. „Auf die
Delegationen wären Schillers Verse passend gewesen: Zum
Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben. Aengst-
lichen Gemütern hätte es nun wohl zugesagt, die Wahl durch
allerlei Kautelen, als da sind, Zensus, Klassenwahl, Ab-
stufung durch Wahlmänner und anderes, einzuengen; aber
ich bin nie ein ängstliches Gemüt gewesen. Einem anderen
Volke als dem deutschen hätte allerdings auch ich vielleicht
ein so gefährliches Recht einzuräumen nicht gewagt. Die
Deutschen aber sind nach meiner Ueberzeugung (wenigstens
im Norden) zu neun Zehnteilen königstreu gesinnt; die große
Masse der Bevölkerung hält im Grund ihres Herzens zu
ihrer Regierung, wenn sie auch mit dem Munde raisomiiert.
Die Leute wissen, daß sie ehrlich und gewissenhaft regiert
werden und im entscheidenden Augenblick kann man sich auf
sie verlassen. Diese Anschauung der wirklichen Mehrheit hat
bei der bisherigen komplizierten Wahlmaschinerie nicht zur
Geltung kommen können, vielmehr wurde durch dieselbe die
Entscheidung in die Hände von Führern gelegt, welche be-
rufsmäßig der Regierung, und zwar meist um persönliche
Zwecke zu verfolgen, Oppositionen machen. Gerade in den-
jenigen Kreisen, aus denen die Wahlmänner hervorgehen und
welche bisher allein zu wählen hatten, herrscht jenes Besser-
wissenwollen und Gescheitersein als die Regierung. Wenn
dagegen das Volk selbst unbeeinflußt und auf sich selbst ver-
Frankfurter Verfassung das Wahlrecht nicht geheim war, sondern
zu Protokoll gegeben werden mußte. Durch die von Bismarck
alzeptierte geheime Abstimmung wurde die Maßregel noch mehr
demokratisiert.