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unverdächtig ersehen konnte, daß Gerlach Manteuffel im Mi-
nisterium halten wollte.
Im Laufe der Unterhaltung bezeichnete der Prinz von
Preußen den ihm wenig sompathischen General von Gerlach
als einen Pietisten.
Bismarck: „Was denken Ew. K. H. sich unter einem
Pietisten?“
Der Prinz: „Einen Menschen, der in der Religion heu-
chelt, um Karriere zu machen.“
B.: „Das liegt Gerlach fern, was kann der werden?
Im heutigen Sprachgebrauch versteht man unter einem
Pietisten etwas anderes, nämlich einen Menschen, der orthodor
an die christliche Offenbarung glaubt und aus seinem Glauben
kein Geheimnis macht; und deren gibt es viele, die mit dem
Staate gar nichts zu tun haben und an Karriere nicht denken.“
Der Prinz: „Was verstehen Sie unter orthodor?“
B.: „Beispielsweise jemanden, der ernstlich daran glaubt,
daß Jesus Gottes Sohn und für uns gestorben ist als ein
Opfer zur Vergebung unserer Sünden. Ich kann es im
Augenblick nicht präziser fassen, aber es ist das Wesentliche
der Glaubensverschiedenheit.“
Der Prinz ô(hoch errötend): „Wer ist denn so von Gott
verlassen, daß er das nicht glaubte!“
B.: „Wenn diese Aeußerung öffentlich bekannt würde,
so würden Ew. K. H. selbst zu den Pietisten gezählt werden.“
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung kam die Rede auf
die damals schwebende Frage der Kreis= und Gemeinde-Ord-
nung. Bei der Gelegenheit sagte der Prinz ungefähr: Er sei
kein Feind des Adels, könne aber nicht zugeben, daß „der
Bauer von dem Edelmann mißhandelt werde.“
B.: „Wie sollte der Edelmann das anfangen? Wenn
ich die Schönhauser Bauern mißhandeln wollte, so fehlte mir