— 30 —
Er war über die neueste russische Erklärung unzufrieden; ein—
mal, weil sie nicht an den Bund gerichtet, und dann, weil von
einer strikten Neutralität darin die Rede war, Oesterreich
3. B. aber nicht anerkenne, daß eine solche bestehe. Der König
ließb dann Bismarck und Gerlach rufen, und korrigierte auf ihren
Rat eine von ihm entworfene Depesche an den preußischen Ge-
sandten in Petersburg.
Frankfurt a. M. den 26. Juli 1855.
Unterredung mit dem Jugendfreunde Johu
Lothrop Motley, betreffend Bismarcks Er-
nennung zum Gesandten in Frankfurt am
Main.-)
Bismarck erzählte abends seinem Jugendfreunde Motley:
„Im Sommer 1851 fragte mich der Minister Manteuffel ganz
plötzlich, ob ich den Posten des Vertreters von Preußen in
Frankfurt annehmen wollte. Der Vorschlag kam mir eben
so unvermutet, als wenn mir mit der nächsten Post die Nachricht
kommen würde: ich sei zum Gouverneur von Massachusetts
*) Nach der Veröffentlichung in der „New-Dorker Staats-
Zeitung“, Sonntagsblatt Nr. 42, 19. Oktober 1902. Der Bun-
desgesandte war, was später der Kanzler blieb, ein außer-
ordentlich warmer Freund der Dichtungen des Verfassers
von „Läuschen und Riemels“ und „Ut mine Stromtid“.
Nun geschah es eines Abends, daß Herr von Oertzen, der mecklen-
burgische Gesandte, spätere Minister, mit Gräfin H., einer in
der deutschen Literatur sehr wohl bewanderten jungen Ausländerin,
in den behaglichen Räumen der Gallusgasse (preußischen Ge-
sandischaft) zusammentraf. Die Rede kam bald auf den modernen
niedersächsischen Parnaß und seinen vielgefeierten Vertreter, und
die Fremde meinte, sie vermöge dieser Poesie keinen Geschmack
abzugewinnen; die Mundart sei sehr übellautend für ihr Ge-