— 53 —
Petersburg, Ende Februar 1862.
Unterredung mit dem Fürsten Gortschakow,
betreffend die deutsche Frage.
Bismarcks Unterhaltung mit dem kaiserlichen Minister
knüpfte an die von den deutschen Mittelstaaten geplante Reform
der deutschen Bundesverfassung an.
Gortschakow: „Ich habe den Gesandten der deutschen
Mittelstaaten, die mich ausholen wollten, was sie im Falle
eines Konfliktes mit Preußen von Rußland zu erwarten hätten,
nicht verhehlt, daß wir ihr gereiztes Verhalten nicht billigen
könnten, und daß sie gut täten, ihr Auge viel mehr nach
Preußen als nach Oesterreich oder gar nach Frankreich zu
richten, wollten sie bei einer europäischen Konflagration nicht
Gefahr laufen, ihre Existenz einzubüßen. Andererseits sollte
aber auch Preußen alles tun, um Zerwürfnissen in Deutschland
vorzubeugen und dort die Einigkeit zu erhalten. Ich wieder-
hole nur, was ich Eurer Exzellenz schon zum öfteren gesagt
habe: Weil Rußland ein ausgesprochenes Friedensbedürfnis
besitzt, so legt es auf die Konsolidierung der Defensivkraft
Deutschlands entschieden Wert. Wen sollten wir lieber an der
Spitze Deutschlands sehen, als das uns am meisten befreundete
Preußen; es sollte sich dafür aber auch hüten, durch eine zu
energische Verfolgung seiner von uns im Prinzipe gebilligten
Ziele, die kleineren Staaten nach einer neuen Rheinbunds-
politik lüstern zu machen.“
Bismarck: „Ich bin weit entfernt, behaupten zu wollen,
daß einer der deutschen Souveräne sich mit der Absicht trägt,
bundbrüchig zu werden. Wie die Dinge liegen, muß Preußen
aber immer mit der Möglichkeit rechnen, daß die kleineren
Staaten bei einem Kriege mit Frankreich, wenn das Kriegs-
glück uns nicht günstig ist, die Reihen der Bundesarmee ver-
lassen und damit gerade in dem Augenblicke, wo wir ihre
Kontingente am nötigsten hätten, die feindlichen Armeen ver-