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trieren. Bismarck kam eben auf Urlaub nach Berlin, als dieser
Beschluß gefaßt wurde.
„Nehmen Sie sich in acht,“ sagte derselbe zu dem Unter-
staatssekretär von Gruner, „Sie kennen den Kurfürsten, er
ist imstande, wenn unsere Truppen in Hessen einrücken, ihnen
einige Kompagnien entgegenzuschicken und es so weit zu treiben,
daß unsere Leute, wenn auch ungern, auf ihre hessischen Ka-
meraden schießen müssen. Dies aber würde ein Vorgang sein,
den man in der kurhessischen Armee und in den norddeutschen
Kontingenten niemals wieder vergessen würde.“
Paris, Anfang Juni 1862.
Unterredung mit dem Kaiser Napoleon, be-
betreffend die polnische und deutsche Frage.
Der Kaiser besprach mit Bismarck die volnische Frage.
Bismarck: „Ich glaube aus Ihren Worten die Ueber-
zeugung zu schöpfen, daß Eure Majestät durch die polnische
Bewegungspartei nicht wenig beeinflußt sind. Bei dieser Sach-
lage halte ich mich verpflichtet, bei Ihnen keinen Zweifel dar-
über zu lassen, daß Preußen zu einer Wiederherstellung der
polnischen Nation sich niemals verstehen wird, daß es vielmehr
innerhalb seiner Grenzpfähle alles tun wird, um der polnischen
Propaganda entgegenzuwirken. In dieser Politik wird sich
Preußen durch keine Rücksicht auf einen anderen Staat beirren
lassen.“
Bei einer Besprechung der inneren Lage Preußens gab
Napoleon zu, daß dort nur eine solche Regierung Aussicht
auf Erfolg habe, welche über den Parteien stehe und in der
Volksvertretung das für jeden monarchischen Staat nötige
Maß von Macht besitze. *
In Bezug auf die deutsche Politik Preußens sah Na-
poleon die Sache nicht rosig, da die deutschen Fürsten in
ihrer überwiegenden Mehrzahl keine Neigung besäßen, Preußen