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Beschluß des Reichstages festgesetzt ist. Bei dieser Sachlage
kann ich Ihnen nur anheimstellen, den König noch einmal
aufzusuchen und ihn zu einer Willensänderung zu bewegen.“
Wie bekannt, wich der Großherzog der Streitfrage da-
durch aus, daß er das Hoch weder auf den „Deutschen
Kaiser“, noch auf den „Kaiser von Deutschland“, sondern auf
den Kaiser Wilhelm ausbrachte.“)
Versailles, 23. Januar 1871.
Als Bismarck die Nachricht erhalten hatte, Jules Favre
werde ihn noch an demselben Abend aufsuchen, schickte er in
die Küche des Königs, man möge ihm mit einem besonders
guten Diner aushelfen, da er auf diesen Besuch nicht vor-
bereitet gewesen sei. Als Favre bereits bei Bismarck saß, be-
auftragte Bismarck den Feldpolizeidirektor Stieber, Quartier
für denselben zu schaffen und seine Ueberwachung einzuleiten.
*) Bei Gelegenheit der Kaiser-Proklamation verlas Bis-
marck die Ansprache an das deutsche Volk — nach dem Tagebuch
des Kronprinzen „in tonloser, ja geschäftlicher Art“. Ein anderer
Augenzeuge, der Leibarzt des Großherzogs von Sachsen,
Dr. Mälther, der in größter Nähe Bismarcks stand, konnte be-
obachten, welch mächtige Bewegung ihn erfaßt hatte. „Seine
Brust keuchte, sein Antlitz war bleich und seine Ohren so blutleer,
daß sie fast durchsichtig waren. Mit Mühe rangen sich die ersten
Sätze aus der Brust, aber allmählich wurde die Stimme klar
und durchdrang kräftig den weiten Saal.“
Versailles den 20. Januar 1870. Der König und der Kron-
prinz fuhren zu Bismarck, da Trochu einen Waffenstillstand oder
doch wenigstens eine 48stündige Waffenruhe erbeten hatte. Moltke
hatte sich gleichfalls bei der Konferenz eingefunden. Bismarcks
Antwort lautete, daß die Vorposten sich über die Bestattung in
gewohnter Weise zu vereinbaren hätten, alles andere könne nur
schriftlich verhandelt werden. (Tagebuch des Kronprinzen.) Bis-
marck meinte, man sehe nun doch, die Militärs seien nicht mehr
ausschließlich oben auf.