Full text: Also sprach Bismarck. Band II. 1870 - 1888. (2)

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selben bei der deutschen Regierung nicht, es genüge vielmehr 
eine einfache Notifikation des Präsidentenwechsels mittelst eines 
an den Reichskanzler gerichteten Briefes. Am 29. Mai begab 
er sich abends zum Kanzler. Der letztere sagte dem Botschafter 
in ganz ruhigem und freundschaftlichen Tone, welche Bedenken 
er in Betreff des Beglaubigungsschreibens gegen dessen Auf- 
fassung habe. „Wenn wir zugeben wollen, daß Frankreich einen 
neuen Depositär seiner Exekutiogewalt einsetzt, ohne daß wir 
von seinem Repräsentanten ein neues Beglaubigungsschreiben 
verlangen, so erkennen wir damit die Republik als ein defini- 
tives Regime an. Dies vorausgesetzt, hätten wir allerdings 
nicht jedesmal einen formellen Akt der Anerkennung des neu 
erwählten Präsidenten vorzunehmen. Aber bisher sagtet Ihr 
uns doch in Versailles, daß die Verhältnisse in Frankreich nur 
provisorisch geregelt seien. In diesem Falle müßte eigentlich 
der von der Assemblée erwählte Präsident seinen Regierungs- 
antritt selbst dem König mitteilen. Ich glaube, daß meine 
Anschauungsweise auf guten Gründen des Völkerrechts beruht, 
und daß dieselbe für Euch ebenso nützlich werden kann, als 
für uns. Die Entscheidung der Frage liegt natürlich bei Euch. 
Was Deutschland anbelangt, so kann ich Ihnen erklären, 
daß es die Ernennung Mac-Mahons zum Präsidenten sym- 
pathisch begrüßt. Wir nehmen von seiner Wahl mit großer 
Befriedigung Kenntnis. Natürlich für den Augenblick. Wir 
glauben Ihnen ja aufs Wort, da Sie sagen, in seinem Namen 
zu uns zu sprechen. Ihre Assemblée könnte aber später einmal 
einen Präsidenten ernennen, welcher uns weniger Vertrauen 
einflößt, als der Marschall, und es wäre bedauerlich für die 
Kabinette, einen Präcedenzfall geschaffen zu haben, der sie 
bindet. Oesterreich und Rußland wollen sich mit uns über diese 
Form= und diplomatische Etiquettenfrage ins Einvernehmen 
setzen. Ursprünglich zeigten sich die Kabinette von Wien und 
Petersburg geneigt, sich mit einer einfachen Notifikation zu 
begnügen. Ich machte sie dann auf die Inkonvenienzen, wegen
	        
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