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Berlin, zwischen dem 22. und 26. September 1873.
Unterredung mit dem Kaiser Wilhelm über die
Annahme einer von dem König von Italien Bis-
marck zugedachten Dose mit Brillanten.“
Bismarck: „Der König Viktor Emanuel hat mir eine
Porträtdose mit Brillanten im Werte von 50.000 bis 60.000
Franken zugedacht. Ich trage Bedenken, ein so wertvolles
Geschenk anzunehmen.“
Kaiser: „Ich sehe in dieser Zuwendung doch nur die
Fortsetzung einer alten Tradition.“
Bismarck: „Gegenüber einem solchen Geschenke von durch-
schnittlichen Werte würde ich auf den Gedanken der Ab-
lehnung nicht gekommen sein. In diesem Falle aber hat nicht
das fürstliche Bildnis, sondern die verkäuflichen Diamanten
haben das für die Beurteilung des Vorgangs entscheidende
Gewicht. Bereits hat der bayerische Gesandte Freiherr Pergler
von Perglas durch den italienischen Botschafter Grafen
Launay, mit dem er in demselben Hause wohnt, von dem
übertriebenen Wert der Dose Kenntnis erhalten und davon
gesprochen. Im Hinblick auf die Lage des Kulturkampfes
muß ich alles vermeiden, was Anlaß zu Verdächtigungen
geben könnte.“
Kaiser: „Sie haben Recht, nehmen Sie die Dose nicht.““)
*) Bimarcks Gedanken und Erinnerungen, Bd. II, S. 137.
"“*) Aus einem Briefe, den der bonapartistische Agent Reg-
nier am 22. Sept. 1873 aus London veröffentlichte, geht hervor,
daß Bismarck Regnier bei dessen letzten Begegnung (Zeitpunkt
nicht angegeben), mit Händedruck empfing. Im Verlaufe des
Gespräches bemerkte Regnier: „Ich habe Ihnen, wie Sic leicht
begreifen werden, vieles verbergen müssen, aber ich bitte Sie,
mir zu sagen, ob ich je etwas gesprochen, was Sie als falsch
erkannt haben, oder ob ich in meiner Schrift „Quel est Votre
nom, N. ou M.7“ eine Zeile geschrieben habe, welche nicht
die vollkommene Wahrheit ausgedrückt hat. — Bismarck er-