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von dem Standpunkte und im Interesse der einzelnen Staaten
in bezug auf solche Fragen etwa zu berücksichtigen sein möchten.
Zu diesem Behufe lege er emen großen Wert auf einen öf-
teren persönlichen Verkehr mit den betreffenden Ministern, sei
aber auch sehr gern bereit, direkt — d. h. nicht durch die Ge-
sandten — an ihn gelangende Anfragen dieser Art so voll-
ständig, als ihm möglich sei, zu beantworten. Um den drei
Ministern einen Beweis dieser Geneigtheit zu geben, ent-
wickelte er denselben sofort und in sehr eingehender Weise die
Lage zweier politischen Angelegenheiten, welche die allgemeine
Aufmerksamkeit damals im hohen Grade in Anspruch nah-
men. Die erste derselben, die im Frühjahr 1875 zunächst
infolge eines Artikels der Zeitung „Die Post“ mit der
Bezeichnung „Krieg in Sicht“ entstandene Besorgnis vor
einem Kriege mit Frankreich und die von verschie-
denen Seiten behauptete Einwirkung, welche der Kaiser
von Rußland auf die Erhaltung des Friedens bei seiner Durch-
reise durch Berlin ausgeübt haben sollte, gewährte eigentlich
nur noch ein historisches Interesse, tatsächlich war sie vollständig
erledigt. Fürst Bismarck führte die ganze Verwickelung in
dieser Angelegenheit auf eine rein persönliche, gegen ihn
selbst und seine Stellung gerichtete Intrigue zurück, die nur
durch das ungeschickte Verhalten des damaligen französischen
Botschafters in Berlin momentan eine größere Bedeutung
erhalten habe und betonte dabei wiederholt und sehr entschieden,
daß zu der Zeit, in welcher der Kaiser von Rußland und
Fürst Gortschakow in Berlin waren, die ganze Sache be-
reits vollständig beendet und jede mögliche Kriegsgefahr nach
allen Richtungen hin durchaus beseitigt, also zu einer russischen
Vermittlungstätigkeit weder ein Anlaß noch eine Gelegen-
heit mehr vorhanden gewesen sei. Es war eben dem Fürsten
Gortschakow darum zu tun, die Sache so darzustellen, als ob
er als Friedensengel durch Europa geflogen sei.
„Die Entwicklung der Dinge im Oriente bietet für Deutsch-
v. Poschinger, „Also sprach Bismarck“ Band II. 16