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land nur ein sehr geringes oder eigentlich gar kein direktes
Interesse, sie kann aber indirekt von einem doppelten Gesichts-
punkte aus eine große Wichtigkeit für uns erhalten einmal,
weil wir nie zugeben dürfen, dafß die ganz wesentlichen Inter-
essen, die Oesterreich dort hat, beeinträchtigt werden. dann
aber auch deshalb, weil Deutschland durch einen Krieg zwi-
schen Rußland und Oesterreich leicht in Mitleidenschaft ge-
zogen werden kann, jedenfalls aber in eine sehr schwierige Lage
kommen würde. Das Bestreben der deutschen Politik muß
daher jetzt dahin gerichtet sein, eine Verständigung zwischen
Oesterreich und Rußland in bezug auf ihr Vorgehen im Oriente
herbeizuführen, einen Krieg zwischen ihnen aber mit allen
Mitteln zu verhindern. Wenn sich diese beiden Staaten so
derständigen, daß auch Oesterreichs Interessen gewahrt würden,
so könnten auch wir damit zufrieden sein. Selbst wenn sie dort
Eroberungen machen und dadurch sich dort hinten ein Fontanell
ansetzen wollten, würde dies für uns nicht nachteilig sein.“
Berlin, 31. Dezember 1875.
Unterredung mit dem französischen Botschafter de
Gontaut-Biron, betreffend die angeblich krie-
gerischen Pläne Deutschlands gegenüber Frank-
reich.“
Es war die erste Begegnung Bismarcks mit Gontaut, sechs
Monate nach dem diplomatischen Zwischenfall, da der Kaiser
Alexander II., resp. der Minister Gortschakow bei ihrem Be-
suche in Berlin den Frieden zwischen Frankreich und Deutsch-
land als gesichert erklärt hatten. (Mai 1875).
Bei seinem Eintritt in Bismarcks Zimmer drückte Gontaut
dem Kanzler sein Bedauern über das Dahinscheiden des Grafen
) Dernières Années de IAmbassade de Mr. de Gontaut-
Biron, Paris 1907, S. 176 — 190.