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Berlin, 16. Juni 1878.
Kußerung, betreffend den Berliner Kongreß.“
Am Vorabend der ersten Sitzung des Berliner Kongresses
äußerte sich Bismarck kurz über die Lage: „Der ganze Kon-
greß wird sich nur als ein Duell zweier Mächte England und
Rußland herausstellen. Schuwaloff beneide ich in der Tat
nicht; wie eine Meute werden sich die anderen Mächte auf
ihn stürzen; er steht allein da, gegen alle, und das ist immerhin
kein leichter Standpunkt. Beaconsfield bewundere ich ob seiner
Zähigkeit.““)
gab es für den ersteren unruhige Wochen; aber er hatte schließ-
lich als Erfolg seiner Tätigkeit die Ernennung zum ersten russi-
schen Bevollmächtigten auf dem Berliner Kongreß erhalten. Auf
einer Reise von Petersburg nach London machte er Bismarck
seine Aufwartung und teilte ihm diese Ernennung mit. Bismarck
war sehr befriedigt über diese Ernennung; Schuwaloff sei der
einzige, zu dem er uneingeschränktes Vertrauen habe und den
ihm das geschäftliche Tun zum Vergnügen mache. Er wollte
ihm während der Kongreßverhandlungen beweisen, daß seine
langjährigen freundschaftlichen Gefühle für ihn echt und wahr
seien. Bismarck sprach noch in dieser Weise mit Schuwaloff,
als diesem ein dechiffriertes Telegramm überreicht wurde. Dieses
Telegramm besagte, daß der Kaiser (Alexander II.) den Fürsten
Gortschakow besucht und ihm mitgeteilt habe, daß er ihn an Stelle
Schuwaloffs zum 1. Bevollmächtigten des Kongresses ernannt habe.
Die Wirkung dieser Nachricht zeigte sich sofort in den veränderten.
QZügen Bismarcks. „Alles ist umgestoßen, wir werden persönliche
Freunde auf dem Kongreß bleiben, aber ich werde nie ein zweites
Mal dem Fürsten Gortschakow gestatten, meine Schultern zum
Piedestal zu machen, auf dem er sich erheben kann.“ Nach
der Darstellung von Hanotaux, Frankf. Ztg., Nr. 265 vom
23. September 1908.
*) Wem gegenüber die Aeußerung fiel, ist nicht bekannt.
*) Als Beaconsfield Bismarck gemeldet wurde, empfing
er ihn mit aller Liebenswürdigkeit, ließ ihn Platz nehmen und
ging dann sofort auf sein Ziel los: „Sie bringen uns entweder
Krieg oder Frieden.“ — „Ich wünsche Ihnen den Frieden