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Varzin, Ende der siebziger Jahre.
Unterredung mit dem französischen Weinlieferanten
Chöberry, betreffend Gambetta.“
Chéberry, der als Lieferant für französische Weine mit
der Hofgesellschaft in Berlin, Petersburg und Wien wohl be-
kannt war, und gelegentlich seines Besuches in Varzin auch
von Bismarck den Auftrag auf einen hübschen Posten für
fine Champagne erhalten hatte, brachte das Gespräch auf den
ihm befreundeten Gambetta.
Bismarck: „Er ist der einzige, der ernstlich an die Re-
vanche denkt, aber der Mann wird nicht lange leben. Ich
kenne aus sicheren Berichten die Lebensweise Ihres großen
Mamnes sehr genau. Und ich sage, daß sein Leben eine
dauernde Ueberanstrengung ist. Bei Nacht widmet er sich
seiner Zeitung, bei Tage ist er in der Kammer, in den Kom-
missionen, in der Provinz, im Auslande. Hier hält er Reden,
dort sucht er Bündnisse zu schließen. Alle Politiker, die ein
solches Leben geführt haben, sind jung gestorben. Mirabeau ist
das beste Beispiel dafür. Wenn man seinem Lande lange
dienen will, muß man mit einer häßlichen Frau verheiratet
sein, die übliche Anzahl Kinder haben, dazu einen Acker oder
ein Landhaus wie ein Bauer, damit man einmal ausruhen,
sich von einem Schnupfen erholen, den augenblicklichen Macht-
habern aus dem Wege gehen und den Augenblick zum Han-
deln ruhig abwarten kann. Sehen Sie Thiers an! Er hatte
die schönste staatsmännische Laufbahn, die man sich denken
kann, und war doch kein Aar. Sehen Sie Grervy an! Gam-
betta aber hat die Kerze an beiden Enden angezündet, das
ist meine Meinung. Er sollte sich verheiraten und aufs Land
gehen. Sagen Sie ihm das in meinem Namen, denn im
*) Nach den von Francis Laur veröffentlichten Erinnerungen
an Gambetta.