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braucht. In Richard II. steht: Ich kenne weder Haß noch
Furcht noch Liebe; vom menschlichen Standpunkt ist das
lächerlich, aber Staaten sollen so regiert werden. Kann ich
den Kaiser nicht zur Zustimmung bewegen, so muß ich meinen
Abschied fordern. Es ist keine Kanzlerfehde, wie es liberale
Zeitungen, vielleicht nach Nachrichten aus der russischen Bot—
schaft, darstellen, sondern eine Frage der Sicherheit und Un—
abhängigkeit des Deutschen Reichs. Von Gortschakow spricht
übrigens Kaiser Alexander selbst als von einem verbrauchten
Mann.
Wer soll, wenn ich abgehe, Kanzler werden? Es müßte
ein Staatsmann sein, der dem Kaiser von Rußland genehm
ist. Graf Münster oder Fürst Hohenlohe wären es nicht,
weil westmächtlicher Sympathien verdächtig; Radowitz ist in
Petersburg nichtsweniger als persona grata. Die Erfahrung,
wie schwer mitunter die regierenden Herren es ihren Mini—
stern machen, ihrem Lande zu dienen, könnte den Gedanken
nahelegen, Republikaner zu werden. Ich habe meinen König,
der im Jahre 1866 auch von Abdikation gesprochen hat, auf
meinen Schultern auf den Kaiserthron getragen, und jetzt
will der Kaiser alles besser wissen, als sein Minister und alles
selber machen. Leider kenne ich keinen deutschen Fürsten,
der in dieser Angelegenheit auf den Kaiser einwirken könnte.
Dem König von Bayern, der sich an mich direkt um Aus-
kunft gewendet hat, habe ich in einem eigenhändigen Schrei-
ben die Lage klargelegt. Ich habe auch schon darangedacht,
dem diplomatischen Ausschuß des Bundesrates eine Darlegung
der Situation zu geben. Sie mit Ihnen, einem Kollegen,
besprechen zu können, ist mir angenehm gewesen. Natürlich
müssen die Darlegungen seiner Zeit auch ihren Weg in die
Oeffentlichkeit finden. Zunächst ist aber zwischen dem
Grafen Andrassy und mir gegenseitige Geheimhaltung ver-
abredet worden.“