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Gastein, 12. September 1879.
Unterredung mit dem Minister v. Mittnacht, be-
treffend sein Verhältnis zu Kaiser Wilhelm, die
Reise des Grafen Holnstein nach Versailles, den
Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses, den
Minister Pfretzschner, den Abgeordneten Francken-
stein.“
Bismarck: „Das Aufreibende und Gesundheitzerstörende
meiner amtlichen Tätigkeit übersteigt jede Schilderung. Kaiser
Alexander hat in einem an unseren Kaiser gerichteten,
später allerdings zurückgenommenen eigenhändigen Briefe in
wahren Invektiven von mir gesprochen, und etwas Aehnliches
ist schon früher einmal vorgekommen. Ueberhaupt pflegen
die regierenden Herren in ihren Privatkorrespondenzen von
den gegenseitigen Ministern ganz harmlos, wie von Guts-
inspektoren zu reden. Auch von meinem eigenen Herrn habe
ich schon recht ungnädige Zuschriften erhalten. So nament-
lich am Silvesterabend 1877, zu welcher Zeit ich von der
Unfruchtbarkeit meiner Verhandlungen mit Bennigsen bereits
überzeugt war — ein Schreiben der Art, daß ich die ganze
Nacht gallenkrank gewesen bin. Damals hat der Minister
Fritz Eulenburg dem Kaiser von dem neuen Kabinett ge-
sprochen, von dem jedermann wisse, nur der Kaiser nicht.
Derartiges erträgt der hohe Herr nicht, der gerne sagt, daß
er sein eigener Minister sei. Später hat er wieder eingelenkt,
und meine versönliche Anhänglichkeit an ihn hilft über solche
Vorkommnisse hinweg. Tägliche unkontrollierbare Einwir-
kungen durch Vorlesen von Zeitungen, Briefen usw. reizen
den Kaiser zu Handschreiben und Billetten, die mich zu un-
nötigen langwierigen und aufregenden Erwiderungen zwingen.
*) Nach Mittnachts Erinnerungen an Bismarck, Neue Folge,
S. 19f. Die Aeußerungen fielen auf einer Fahrt nach dem
Kotschachtale.