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zeigte sich damals weniger als je geneigt, sich in abenteuerliche
Politik einzulassen.
Die Beharrlichkeit Rußlands in seiner drohenden Haltung
Deutschland gegenüber erregte in mir endlich den Verdacht,
daß Rußland im Geheimen zum Einverständnis mit Oester-
reich gegen Deutschland gekommen war, eine Sachlage, die,
wie ich wußte, der Hofpartei und vielen einflußreichen Privat-
personen in Wien sehr gut paßte. Meine Zusammenkunft mit
Andrassy in Gastein bewies mir, daß meine Befürchtung un-
begründet war; trotzdem beschloß ich selbst nach Wien zu
reisen, um mir an Ort und Stelle die volitische Lage zu ver-
gegenwärtigen. Ich hatte gewünscht, daß die Bedingungen
der Allianz zwischen den beiden Kaiserstaaten in einem öffent-
lichen Vertrag beurkundet würden, und daß ohne die Zu-
stimmung der Parlamente beider Staaten kein Artikel im
Vertrage annuliert oder modifiziert werden dürfe, falls die
eine oder die anoere Regierung Schritte dazu machen sollte.
Es gelang mir nicht, dieses durchzusetzen, doch halte ich den
Vertrag, wie er jetzt steht, für ebensogut und ebenso dauer-
haft.“ —
Sodann erzählte Bismarck in humoristischer Weise, mit
welchem vorgegebenen Wohlgefallen die Russen sich in die
neuen Verhältnisse zu fügen schienen: wie Schuwaloff mit
strahlendem Gesicht zu ihm gekommen sei, und ihn versichert
habe, daß das Geschehene mit seinen innigsten Wünschen über-
einstimme. „Er hätte nicht liebenswürdiger sein können, wenn
er gekommen wäre, um unseren Sohn oder um unsere Tochter
zu werben. Ich habe den Russen in Betreff meiner Reise nach
Wien folgende Erklärung gegeben: Ich betrachtete Sie wie
einen teuren Freund, mit dem ich auf menschenleerem Wege
spazieren gegangen, und der bei dieser Gelegenheit plötzlich
Anzeichen von Verrücktheit kundgegeben hat. Ich lief fort,
um mir eine Taschenpistole zu verschaffen, und jetzt bin ich
wieder an Ihrer Seite, um den unterbrochenen Spazier-