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Berlin, 26. Mai 1880.
Unterredung mit dem Vorstande des Auswär-
tigen Amtes, Fürsten Hohenlohe, betreffend die
Haltung v. Bennigsens und Miauels gegenüber der
kirchenpolitischen Vorlage, die Eventualität einer
Auflösung des Landtags bei Verwerfung der-
selben, den Unverstand der Nationalliberalen.“
Hohenlohe: „Ich habe heute Bennigsen auf die Frage,
ob Sie sich erbittert über ihn und Miquel geäußert haben,
weil in Ihrer gestrigen Unterredung über die kirchenpolitische
Frage eine Einigung mit demselben nicht erfolgt sei, geant-
wortet, das sei durchaus nicht der Fall.“
Bismarck: „Da haben Sie sehr unrecht getan; denn
nigsen, Miquel, Sybel, [Gneist und Grumbrecht. Ueber
Stimmung und Haltung der maßgebenden Fraktionen in
Abgeordnetenkreisen wie über den Standpunkt des Kanzlers
betreffs einzelner Bestimmungen der Vorlage entnehmen wir
der „Magdeburger Zeitung“, daß auch die Altkonservativen
für eine Fristbestimmung eintraten, gegen welche sich der Kanzler
nicht ablehnend verhielt. „Dagegen besteht der Kanzler, durchaus auf
§4, ohne den ja auch § 1, die Anstellung der Geistlichen betreffend in
den verwaisten Diözesen keine Bedeutung haben werde. Man ist
geneigt, anzunehmen, daß die Ablehnung dieses Paragraphen
entweder die Demission des Kanzlers oder die Auflösung des
Hauses zur Folge haben könnte.“ Das Blatt hob ferner hervor, daß
gerade gegen diesen „Bischofsparagraphen“ die größten Be-
denken obwalten und es sei auch zu bezweifeln, ob die starke
Abneigung gegen die Annahme jenes § 4 durch die Einfügung
einer Fristbestimmung abgeschwächt werden könne. Die Mehr-
heit der Nationalliberalen spreche sich sehr energisch für eine moti-
vierte Ablehnung der Vorlage aus und möchte deshalb auch
keine Kommissions-Beratung.
*) Denkwürdigkeiten des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst,
Bd. II. S. 297 f.