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so wäre es vermessene Torheit gewesen, auch nut einen Schritt
auf jenes Terrain zu tun, ohne die positivste Sicherheit zu
haben, daß der Nachfolger an der Krone entschlossen sei,
den eingeschlagenen Weg ohne Wanken und Schwanken fort-
zusetzen. Es ist doch besser, den Zug gar nicht aus dem
Perron herauszulassen, als ihn mitten auf der Strecke, wo es
keine Weiche gibt, in ein anderes Geleise dirigieren zu wollen.
Das kann nur Bruch und Stücke machen. Deshalb ist niemals
etwas Neues von Bedeutung unternommen worden, ohne
die eingehendste Beratung mit dem Kronprinzen und ohne
seine ausdrücklichste Zustimmung.“
Cremer: „Eigentlich sollte das als selbstverständlich gelten.
Aber wie kommt es denn, daß mitunter begründet erscheinende
Nachrichten über das Verhalten Sr. Kaiserlichen Hoheit auf-
tauchen, die ihn mit der Regierung Sr. Majestät in Wider-
spruch schildern?“
Bismarck: „Warum denn nicht? Was ist der Kron-
prinz anderes, als der erste Untertan seines Vaters? Stellung.
Rang, Stand verleihen ihm seine hohe Geburt. Dieselbe
verwehrt ihm aber gleichzeitig die Betätigung des eigenen
Willens in politischer Hinsicht. Daher kommt es auch, daß
— sagen wir einmal —die Stimmung im Hofhalte des Kron-
prinzen aus einer anderen Tonart geht, als am Hofe selber.
Kömnen Sie mir einen preußischen Kronprinzen nennen, von
dem es nicht geheißen hat, er stände im Widerspruche mit
der Politik des Herrenhauses? Ein Anderes ist es, Kronprinz
zu sein, und etwas ganz anderes, König.“
Cremer: „Das schildert Shakesspeare so drastisch in seinem
König Heinz!“
Bismarck: „Ja, und die Fallstaffs sollen sich wundern,
daß ihnen die Augen übergehen. Ich kenne doch so ziemlich
alle fürstlichen Personen Europas und darüber hinaus per-
sönlich und einigermaßen genau. Aber ich kenne keinen unter
allen, der eine so hohe Auffassung von seinem fürstlichen Be-