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Die Familie ist dort ansässig, durchaus ehrenhaft und an—
gesehen, auch vermögend. Mein Fritz verliebt sich sofort ganz
toll und will nicht Vernunft annehmen. Es nützt aber doch
alles nichts, sie ist doch nun einmal bürgerlich, dagegen kann
man nichts tun und unsere Familie hat ihren Stammbaum
bisher immer rein erhalten, wir können doch jetzt nicht —“
Bismarck: „Zum Kuckuck mit ihrem Stammbaum. Dan-
ken Sie doch Gott, daß Ihr Junge, hätte es übrigens dem
Herrn Gardeleutnant gar nicht zugetraut, so verständig ist.
Hat Geschmack. Was Stammbaum, dem wird mal ein bischen
frisches Blut gut tun. Seien Sie froh, daß es gesundes deut-
sches Blut ist! Oder wäre es Ihnen lieber, er brächte Ihnen
so ein Fräulein von Lilienfeld oder Veilchenstein aus der
Tiergartenstraße? Nein, nein, ich bin wahrhaftig auch stolz
darauf, ein preußischer Edelmann zu sein, muß mir noch oft
genug im Reichstag den Junker vorwerfen lassen, aber in
diesem Fall, mein Lieber, da scheinen Sie mir doch zu eng-
herzig zu sein. Was wollen Sie denn! Die Familie ist
gut, sagen Sie selbst, die Verhältnisse ebenfalls, na und das
Mädchen doch erst recht! Da ist Rasse drin, Vollblut! Ver-
lassen Sie sich auf mich alten Praktikus. Kommen Sie, lieber
Freund, überlegen Sie sich die Sache nicht zu lang, machen
Sie die Leutchen glücklich, und beim ersten Jungen stehe
ich Pate! Mein Wort darauf!“
Nach diesen heftig hervorgesprudelten Reden verabschiedete
sich der Reichskanzler allerseits und verschwand in der Tür
der Saline.“)
*) Durch diese Unterredung wurde der Schmied des Reichs
auch der Schmied des GElücks des jungen Mädchens, sie wurde
bald Freifrau und das Ideal einer echt deutschen Frau und Mutter.
— Noch ein anderer Kissinger Vorfall aus der Zeit nach dem
Kullmannschen Attentat (13. Juli 1874) möge hier erwähnt werden.
Bismarck äußerte damals, dieses erste Attentat sei nichts gewesen
im Vergleich zu dem darauf folgenden zweiten, dem Attentat der
gesamten Kurgäste, die den Geretteten mit ihren Freudenbezeu-