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Armee. Wenn ich einmal für die Monarchie fürchten müßte,
würde ich kalten Blutes die Lunte an das Faß legen.
An eine Auflösung des Reichstages wegen der Polen-
interpellation denke ich nicht, wenn nicht ein der kaiserlichen
Botschaft vom 30. November') entgegentretender Beschluß ge-
faßt wird. Dagegen kann man ja nichts sagen, daß der
Reichstag die Ausweisungen russischer und österreichischer Po-
len aus dem Königreich Preußen bespricht. Wenn die würt-
tembergische Regierung ein Dutzend Schweizer Schustergesellen
aus Reutlingen ausgewiesen hätte, würde ich als Kanzler
doch nicht von Reichs wegen schreiben können, das gehe nicht
an. Man hätte die Intervellation ganz unverfänglich fassen
und fragen können, ob kein Grund zu der Annahme vorliege,
unsere auswärtigen Beziehungen könnten unter der Maß-
regel notleiden; ich hätte dann antworten können, daß Ruß-
land mit der Ausweisung von an der Grenze wohnenden
Revolutionären ganz einverstanden ist, und daß auch die
österreichische Regierung keine Schwierigkeiten macht. Was
aber die Deutschen in Rußland betrifft, so halten sie an ihrem
Deutschtum hauptsächlich wegen des diplomatischen Schutzes
und des Reliefs fest, da die Eigenschaft als Deutsche ihnen
gewissermaßen den Unteroffizierscharakter gegenüber den ge-
wöhnlichen Pelzrussen verleiht. Sie mögen doch zu uns zu-
rückkehren. Ich bin gegen die Auswanderung, die uns Kräfte
entzieht.“
Auf Mittnachts Bemerkung, ob in diesem Falle eine aller-
höchste Botschaft nötig gewesen, sagte Bismarck: „Nachdem
die in der Interpellation ausgesprochene irrige Rechtsauf-
fassung von der Mehrheit im Reichstag unterschriftlich unter-
stützt worden, habe ich kein Bedenken getragen, den Kaiser
sprechen und den König von Preußen an den Degen schlagen
*) Die Kaiserl. Botschaft vom 30. November 1885 betraf die
landesherrlichen Rechte des Königs von Preußen und seiner
Bundesgenossen.