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einer größeren Selbständigkeit an die evangelische
Kirche.“
Bismarck ließ Hammerstein zuerst die Motive für seinen
Antrag entwickeln; sie gipfelten in dem Versuch, Bismarck zu
einer entgegenkommenden Erklärung für die von Hammer-
stein zu Gunsten der evangelischen Kirche vertretenen Be-
strebungen bei der im Abgeordnetenhause bevorstehenden De-
batte über das kirchenpolitische Gesetz zu bewegen.
Bismarck: „Ich lehne das ab; die evangelische Kirche
steht jetzt nicht schlechter wie vor dem Kulturkampf und kann
deshalb Ansprüche aus der Beendigung desselben für sich
nicht herleiten.“
Auf Hammersteins Einwurf, daß der evangelischen Kirche
durch den Kulturkampf ihr verfassungsmäßiges Recht auf
Selbstverwaltung genommen sei, und daß Falk selbst ge-
standen habe, daß die Aufhebung des Art. 15 der Verfassung
auf die jetzige Gestaltung und Verfassung der evangelischen
Kirche einen entscheidenden Einfluß geübt habe, ging Bismarck
materiell nicht ein, sondern wich der Erörterung mit der Er-
klärung aus, daß Falk auch nicht sein Ideal eines Kirchen-
*) Wilhelm Freiherr v. Hammerstein, 1881 — 1895 Chef-
Redakteur der „Kreuz-Zeitung“, auf Grund hinterlassener Briefe
und Aufzeichnungen von Hans Leuß, Berlin 1905, Seite 51f.
In einer von Hammerstein am 5. November 1888 in Stolp
gehaltenen Rede (siehe den „Vorwärts“, Berliner Volksblatt,
Nr. 232 vom 4. Oktober 1895), bemerkte Hammerstein: „Als
man mich 1876 wählte. machte man mir auch den Vorwurf,
ich stehe gegen Bismarck. Als meine Wähler mich 1881 in
den Reichstag schickten, da berief mich der Reichskanzler tele-
graphisch nach Varzin und besprach sich dort mit mir zwei Tage
lang; er beglückwünschte mich zu meiner Wahl und hieß mich
willkommen als Mitglied des Reichstages, weil ich der beste
Vermittler zwischen den Konservativen und dem Zentrum sei.
Wir besprachen weiter die Organisation der konservativen Partei,
wie dem Kulturkampf ein Ende zu machen sei.“