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Versailles, 30. Oktober 13870.
Unterredung mit dem württembergischen Minister
v. Mittnacht, betreffend Bayerns Eintritt in den
Norddeutschen Bund, und die Kaiserfrage.“
Bismarck: „Der bayerische Ministerpräsident Graf Bray
hat mir unter gleichzeitigem Anbieten der Kaiserwürde die
bayerischen Bedingungen, in 12 Ziffern zusammengestellt, über-
geben. Ich halte diese Propositionen aber für unannehm-
bar und frage Sie, wäre Ihre Regierung, deren Vorschläge
keinen Schwierigkeiten begegnen, eventuell bereit, auch ohne
Bayern abzuschließen, und würde der König von Württem-
berg eventuell bereit sein, in der Kaiserfrage die Initiative
zu ergreifen.“
Die erste Frage bejahte Mittnacht, da er durch seine
Instruktionen nicht an Bayern gebunden war. Die zweite
Frage konnte er nur dahin beantworten, daß er die An-
sicht des Königs Karl hierüber nicht kenne und Instruktion
persönlich einholen müßte. Auf Mittnachts Bemerkung, daß
die Initiative des Königs von Sachsen vielleicht rascher zum
Ziele führen würde, ging Bismarck nicht ein, da er be-
sonderen Wert darauf legte, daß der Antrag von süddeut-
scher Seite komme. "
Mittnacht nahm demnächst die Gelegenheit wahr, Bismarck
die Lage auseinanderzusetzen, in welche die Ablehnung der
Als in Versailles kurz vor dem Falle von Metz (27. Oktober
1870) über die Eventualität der Kapitulation gesprochen wurde,
sagte Bismarck: „Sowie die Nachricht kommt, mache ich mir den
Spaß und frage bei Gortschakow an, ob er mir nicht auf 3 Monate
Sibirien borgen will. Wo soll man mit all dem Volke hin?“
Stosch, Denkwürdigkeiten S. 206.
*) Nach den Erinnerungen an Bismarck von Dr. Frhr.
v. Mittnacht. 4. Aufl., S. 24 und den „Rückblicken“ desselben
S. 114.
*irn