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„Gruß Kaiser Wilhelm I. an sein Volk“ Bismarck vortrat,
und mit vor innerer Erregung zitternder Stimme sagte: „Wenn
der selige Kaiser Wilhelm I. dieses Stück in seiner Voll-
endung hätte hören können, in seinem Grabe würde er sich
gefreut haben.“ Darauf unterhielt er sich mit den Mit-
gliedern der Kapelle, denen ein Imbiß mit Erfrischung ge-
reicht wurde. Mit dem Dirigenten leerte er ein Glas Mark-
gräfler auf den Großherzog von Baden. Als er nach Schluß
des Ständchens Böttge in den Speisesaal lud, setzte er ihm
ein Glas italienischen Traubensaftes vor, den er bei der
letzten Anwesenheit des Ministers Crispi mit diesem getrunken
habe. „Das ist der Dreibund-Wein“, bemerkte der Fürst.“)
Als Böttge fragte, ob er noch einen spanischen Walzer spielen
dürfe, antwortete die Fürstin: „Ach, das wäre gar zu schön.“
Und flugs nahm sie ihren Sohn, den Grafen Herbert, mit sich
in den Salon, um mit ihm sowie mit Frau Bankier Behrens
und Frau Baron Merck nach den spanischen Weisen zu tanzen,
daß es eine helle Freude war, während der Fürst, behag-
lich seine große Pfeife schmauchend, dem fröhlichen Reigen
zusah. „Ihre Musik wirkt wahrhaft Wunder. meine Frau
hat getanzt.“ C
Kissingen, August 1891.
Zwei Unterredungen mit dem Abg. v. Rauch-
haupt, betreffend die Verurteilung des neuen
Kurses.“ "
Bismarck ließ Rauchhaupt zweimal zu sich kommen und
äußerte eine geradezu vernichtende Kritik über die Regierung
*) „Hamburger Nachrichten“ vom 6. und 16. Juli 1891.
?½#) Einem Brief Rauchhaupts an den „Kreuzzeitungs“=
redakteur Freiherrn v. Hammerstein entnommen, enthalten in dem
Werke von Hans Leuß über Wilhelm Freiherr v. Hammerstein.
Unglaubwürdig klingt die Bismarck bei dieser Gelegenheit in
den Mund gelegte Aeußerung: „Die „Kreuzzeitung“ ist die einzige
anständige und selbständige Zeitung, welche man lesen kann.“