Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

98 Änstaltsvormund. 
Betr der AV der Armenverwaltung s. 
unter Berufsvormundschaft. 
Die wichtigste Form der bestellten AV 
ist die des prFEG 12: 
„Auf Antrag des verpflichteten Kommu- 
nalverbandes kann, unbeschadet der Vor- 
schriften des Ausf-B 78 8 1, der Vorstand 
einer unter staatlicher Aufsicht stehenden 
Erziehungsanstalt vor den nach B 1776 als 
Vormünder berufenen Personen zum Vor- 
munde der auf Grund der $$ 3ff in der 
Anstalt untergebrachten Zöglinge be- 
stellt werden. 
Das gleiche gilt für Zöglinge, die unter 
der Aufsicht des Vorstandes der Anstalt 
in einer von ihm gewählten Familie er- 
zogen werden; liegt die Beaufsichtigung 
der Zöglinge einem von dem verpflich- 
teten Kommunalverbande bestellten Be- 
amten ob, so kann dieser auf Antrag des 
Kommunalverbandes statt des Vorstandes 
der Anstalt zum Vormunde bestellt 
werden. 
Neben dem nach den Vorschriften der 
Abs 1, 2 bestellten Vormund ist ein Ge- 
genvormund nicht zu bestellen. Dem Vor- 
munde stehen die nach B 1852 zulässigen 
Befreiungen zu. 
Die weitaus überwiegende Zahl aller 
Fürsorgeerziehungs-Zöglinge befinden 
sich in dieser Art von Anstalten. Sie ge- 
hören Stiftungen, Vereinen, Privaten oder 
der Kirche. Dazu gehören die Erzie- 
hungsanstalten der Inneren Mission, sO- 
wie solche Klöster, welche sich mit Erzie- 
hung befassen. Sie stehen nach $ 1 des 
prGes vom 11. März 1872 sämtlich unter 
Aufsicht des Staates. Nicht hierher gehö- 
ren solche Stiftungen, Klöster usw, welche 
zwar Kinder aufnehmen, aber nicht zu Er- 
ziehungszwecken. Das Gericht, welches 
die Verpflichtung des Anstaltsvorstan- 
des als Vormund auf Antrag vornehmen 
kann, ist nicht das Amtsgericht, in dessen 
Bezirk die Anstalt liegt, sondern das Vor- 
mundschaftsgericht, welches nach dem 
F örtlich zuständig ist, KG 27 A 155. 
So wird also die Zweckmäßigkeit der 
AV von Fall zu Fall zu prüfen sein. 
(Anderer Meinung Wittig Anm 6 zu 
$ 12.) Das Hauptgewicht liegt in der 
Möglichkeit, die nach dem B berufenen, 
oft ungeeigneten Personen als Vormünder 
zu übergehen. Ist der Anstaltsvorstand als 
Vormund verpflichtet, so steht er dem 
Vormundschaftsgerichte gegenüber wie 
ein gewöhnlicher „befreiter‘“ Vormund. 
  
Sein Amt endet nicht, wie Aschrott 
(Anm 5) meint, mit der Entlassung aus 
der Anstaltsdisziplin, oder, wieSchmitz 
erklärt, mit der Entlassung aus der Für- 
sorgeerziehung, sondern nur nach den Re- 
geln des B, da das FEG eine Ausnahme, 
die es machen wollte, ausdrücklich hätte 
anordnen müssen. Das tut es aber nur 
in der Richtung, daß das Vormundschafts- 
gericht jederzeit einen anderen Vormund 
zu bestellen vermag. Die Ausführungsbe- 
stimmungen sagen daher mit Recht für 
FEG 12 u. AG 78: „In beiden Fällen darf 
dem Vormund dieses Amt auch über die 
Zeit der Entlassung des Zöglings aus der 
Fürsorgeerziehung bis zu dessen Volljäh- 
rigkeit belassen werden.‘ 
Nicht zu verwechseln mit der AV ist die 
Erziehungsgewalt des Kommunalverban- 
des (Landesdirektor, Landeshauptmann) 
über die Fürsorgeerziehungszöglinge; 
diese Erziehungsgewalt ist keine Vor- 
mundschaft, auch keine privilegierte, 
wenngleich sie inhaltlich einen ganz ähn- 
lichen Charakter hat; sie ist vielmehr eine 
alle privaten Erziehungsrechte zurück- 
drängende Funktion der öffentlichen Ge- 
walt (siehe unter Fürsorgeerziehung) und 
ergreift dementsprechend auch die Kin- 
der, welche unter elterlicher Gewalt 
stehen, was.eine wie auch immer ge- 
artete Vormundschaft nicht kann. Die 
Lehrstellen vermittelt den Zöglingen der 
Erzieher kraft seiner Ausbildungspflicht. 
Sollen aber rechtlich länger bindende Ver- 
träge geschlossen werden, so muß der ge- 
setzliiche Vertreter handelnd auftreten, 
also gegebenenfalls der Anstaltsvormund. 
Für die Vormundschaftsrichter muß 
m. E. die Erwägung handlungsbestim- 
mend sein, welche in Baden zur Ableh- 
nung der AV überhaupt geführt hat: „Es 
liegt im verständlichen Interesse eines in 
der Anstalt untergebrachten Minderjähri- 
gen, noch jemand außerhalb derselben zu 
haben, an den er sich wenden kann, der 
sich um sein Wohlergehen kümmert und 
der auf den Anstaltsvormund eventuell 
einzuwirken in der Lage ist, wobei aller- 
dings dessen erzieherische Tätigkeit 
nicht durch häufige Einmischung er- 
schwert werden soll.‘‘ Droht die letztere 
Gefahr, so ist die Vormundschaft einer 
vertrauenswürdigen Anstalt vorzuziehen. 
(Für Frankreich vgl „Loi sur le service 
des enfants assistes‘“ vom 27. Juni 1904.) 
Klumker und Petersen in Schr des D Vereins für 
Armenpflege, 81-88; Barthelmeß Berufsvormund-
	        
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