Auslieferung.
schen Reichs hat das Reich zahlreiche Ver-
träge errichtet, deren Bestimmungen wie
Reichsgesetze gelten.
Für das Verhältnis des Reichs zu Öster-
reich gilt der Bundesbeschluß vom Jahre
1854.
Die Frage, ob die auf dem völkerrechtli-
chen Prinzip der Reziprozität aufgebauten
Verträge derart objektives Recht schaffen,
daß der einzelne Auszuliefernde nicht auf
die Einhaltung ihrer Vorschriften verzich-
ten kann, ist für die Reichsverträge nach
ihrer schon erwähnten rechtlichen Natur,
und da die abschließenden Staaten ein
Recht auf Einhaltung der Verträge haben,
zu bejahen. Das Reichsgericht hat in
gleicher Weise Stellung zu dieser Frage
genommen, RGSt 34 198; 38 118;
41 272.
Der Verzicht auf die Förmlichkeiten der
Alf wurde bis in die neueste Zeit von der
Praxis zugelassen, und das Reichsgericht
scheint, wenigstens für unser Verhältnis
zu Frankreich, eine solche extradition vo-
lontaire zu billigen, RGSt 55 254.
Die Wirksamkeit der Verträge erstreckt
sich auf das Gebiet der abschließenden
Staaten, soweit es als Inland im straf-
rechtlichen Sinne anzusehen ist. Die Ko-
lonien folgen dem Mutterland, wenn sie
nicht ausdrücklich ausgenommen sind
oder Souveränität erlangt haben.
Einige Verträge gestatten die Alf nur,
wenn die in Frage stehende Tat im er-
suchenden Staat begangen ist. Andere
Verträge lassen den Ort der begangenen
Tat unerwähnt und verlangen nur eine
nach den Gesetzen des ersuchten Staates
für den Fall, daß dort die Sache zur Ab-
urteilung stände, zulässige Verfolgung.
Verschiedene Staaten liefern auch aus,
wenn das Delikt auf ihrem eigenen Boden
begangen ist. Andere schließen die Alf
gerade für diesen Fall aus.
Ausgeliefert wird nach allen Verträgen
nur auf Grund eines gerichtlichen Vor-
gangs im ersuchenden Staate. Sonderge-
richte, wie z. B. Militärgerichte, stehen den
ordentlichen Gerichten gleich.
Die englisch-amerikanische Gruppe der
Staaten verlangt aber die Beweise für die
Begehung der strafbaren Handlung in Ge-
stalt von eidlich erhärteten Zeugenaus-
sageprotokollen selbst zu prüfen, wenn
nicht ein rechtskräftiges in Anwesenheit
des Auszuliefernden ergangenes Urteil
vorgelegt werden kann. Deutschland ver-
P osener Rochtslexikon I.
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langt diesen Staaten gegenüber natürlich
dasselbe.
In dem Verkehr der Staaten des euro-
päischen Festlands wurden die Ansprüche
mit dem wachsenden Vertrauen zur Ge-
richtsbarkeit des Vertragsgegners immer
mehr vermindert. Es genügt nach den
Verträgen dieser Staaten ein Haftbefehl.
Dagegen sind, um die Inszenierung des
umständlichen Auslieferungsverfahrens
für unbedeutende Sachen zu verhindern, in
einigen Staaten Minimalstrafsätze als Be-
dingung der Alf aufgestellt oder sonstige
Grenzen nach unten gezogen. Wegen
Übertretungen wird von keinem Staate
ausgeliefert.
Für die Feststellung, wegen welcher
strafbaren Handlungen ausgeliefert wird,
sind zwei Systeme zu unterscheiden.
Nach der Eliminationsmethode, welche
aber nur für unser Verhältnis zu Öster-
reich in Betracht kommt, wird die Alf für
alle Delikte zugesichert, und nur bestimmt
bezeichnete strafbare Handlungen, wie
solche von geringer Schwere, politische
Vergehen usw, werden ausgeschlossen.
Nach der Enumerationsmethode werden
in einem mehr oder weniger ausführlichen
Katalog die Auslieferungsdelikte einzeln
aufgezählt und nur zur Sicherheit die poli-
tischen Delikte ausgenommen. In den
Verzeichnissen nicht aufgenommen sind
Duell, nicht qualifizierte Sittlichkeitsver-
gehen, Religionsvergehen, Beleidigungen,
Widerstandshandlungen, Amtsdelikte, mit
Ausnahme von Amtsunterschlagungen,
sowie meistens auch alle fahrlässigen
Handlungen.
Daß auch alle Teilnahmehandlungen
unter die zugehörigen Auslieferungs-
delikte fallen, ist oft noch besonders er-
wähnt. Es ist in diesem Falle einerlei, ob
die Teilnahmehandlung etwa zu einem de-
lictum sui generis in dem Strafgesetzbuch
geworden ist, wie etwa die Begünstigung,
oder allgemein behandelt wird.
Auch der Versuch ist häufig noch be-
sonders aufgeführt. Ist er nicht benannt,
so wird wegen eines Versuches auch nur
ausgeliefert werden, wenn er nach dem
Strafrecht der Vertragsgegner der Voll-
endung gleichgestellt ist.
Bei der Enumerationsmethode ist Vor-
aussetzung für die Alf, daß die Tat, um
die es sich handelt und die im Vertrags-
katalog aufgeführt ist, auch strafbar ist in
dem ersuchten Staat. Dies ist das viel-
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