Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

148 
zu verweigern. Die Unrichtigkeit einer sol- 
chen Überspannung des Grundsatzes er- 
gibt sich schon daraus, daß konsequenter- 
weise auch Erhebungen, die in ihrem Re- 
sultat zugunsten des Nationalen wirken, 
zurückgewiesen werden müssen. 
Angehörige dritter Staaten werden an- 
standslos ausgeliefert, nur haben sich zahl- 
reiche Staaten die Möglichkeit im Ver- 
trage vorbehalten, nach ihrer Wahl dem 
Heimatsstaat die Alf zu bewilligen, wenn 
er sie begehrt. 
In erster Linie entscheidet aber beim 
Vorliegen mehrerer Auslieferungsgesuche 
für die bessere Berechtigung die Priorität. 
Handelt es sich um Auslieferungsgesuche 
zweier Staaten wegen verschiedener De- 
likte, so ist es möglich, unter der Bedin- 
gung auszuliefern, daß der Verbrecher 
nach der Aburteilung und vor der Straf- 
verbüßung an den dritten Staat zur Abur- 
teilung weitergeliefert werden müsse. 
Die Alf wird nicht gewährt, trotzdem 
davon in den Verträgen nicht die Rede 
ist, wenn der Delinquent im Asylstaate 
wegen derselben Handlung schon abge- 
urteilt ist oder noch in Untersuchung 
steht. Eine vorläufige Alf zum Zweck der 
Aburteilung wegen einer anderen Hand- 
lung, mit der Bedingung der Rückliefe- 
rung behufs Verbüßung einer schon ver- 
hängten Strafe, ist möglich. 
Mit dem Verbrecher selbst werden auch 
alle bei ihm gefundenen Beweisstücke, 
vorbehaltlich der Rechte Dritter, über- 
geben. 
Der Weg, den der Auszuliefernde zu 
nehmen hat, und der Ort der Übergabe 
sind Sache der Vereinbarung im Einzel- 
falle. Wenn die Staaten nicht aneinander- 
grenzen und die Benutzung des Seeweges 
nicht die Berührung des Gebietes dritter 
Staaten unnötig macht, so bedarf es be- 
sonderer Vereinbarungen über die Durch- 
lieferung, die bisweilen auch durch beson- 
dere Verträge geregelt ist. 
Nach den allermeisten Verträgen ver- 
zichten die vertragschließBenden Staaten 
gegenseitig auf Erstattung der entstande- 
nen Kosten. Nur im Verhältnis zu Öster- 
reich und der Nordamerikanischen Union 
findet Kostenersatz statt. Die Kosten der 
Durchlieferung durch einen dritten Staat 
trägt immer der ersuchende Staat. 
Die streitige Frage, ob über die be- 
stehenden Verträge hinaus ausgeliefert 
werden kann, wird zu bejahen sein, da die 
  
Auslieferung. 
Verträge nur die Pflicht, nicht aber das 
Recht auszuliefern regeln. Für Deutsch- 
land gibt es jedenfalls keine gesetzliche 
Schranke, die die Alf aus Deutschland ver- 
bietet. Dagegen stehen, wie oben schon 
ausgeführt, die Bestimmungen der Ver- 
träge des Reichs der Aburteilung eines 
Verbrechers entgegen, der anders als nach 
den Bestimmungen des Vertrags nach 
Deutschland ausgeliefert wurde. 
Eine Reihe von Staaten (Belgien, Nie- 
derlande, England und die Nordamerika- 
nische Union) liefern ohne vertragliche 
Verpflichtung grundsätzlich nicht aus. Die 
Schweiz kann nach ihrem Auslieferungs- 
gesetz mit oder ohne Vorbehalt des Ge- 
genrechts auch wegen einer im Vertrag 
nicht enthaltenen strafbaren Handlung 
ausliefern, sofern nur das Auslieferungs- 
gesetz die Handlung enthält. Im Anschluß 
hieran hat die deutsche Reichsregierung 
durch förmliche und nichtförmliche Ge- 
genseitigkeitserklärungen wichtige Erwei- 
terungen des Auslieferungsvertrags in die 
Wege geleitet, obwohl die Rechtsgültig- 
keit solcher Vereinbarungen bestritten ist. 
Ähnliches ist auch bei anderen Ländern 
(Frankreich im Verhältnis zu einigen Bun- 
desstaaten) verabredet worden. 
Aus den Verträgen hat sich allmählich 
eine Art von gemeinem internationalem 
Auslieferungsrecht entwickelt, nach wel- 
chem diejenigen Staaten ausliefern, die 
Verträge nicht abgeschlossen haben. Da- 
bei wird von der ursprünglich jeweils ge- 
forderten Zusicherung der Reziprozität 
neuerdings Umgang genommen. 
Nationale werden aber von den Staa- 
ten des Kontinents wenigstens grundsätz- 
lich nicht ausgeliefert, wie dies ja auch in 
Deutschland durch S 9 ausdrücklich ver- 
boten ist. 
Nur wegen bedeutender Handlungen 
wird ausgeliefert, und wegen politischer 
Delikte im weitesten Sinne wird die Alf 
verweigert. Aber auch hier muB beachtet 
werden, daß die Tendenz in neuerer Zeit 
gegen die Überspannung des politischen 
Asylrechtes geht. 
Der Grundsatz der Spezialität wird auch 
ohne Vertrag beachtet. Es wird die Ab- 
urteilung auf die einzelne Handlung be- 
schränkt, wegen deren ausgeliefert ist. 
Nur sind die Gerichte an die rechtliche Be- 
urteilung, welche die Tat bei der Alf ge- 
funden hat, nicht gebunden. Ergibt sich 
noch eine weitere wichtigere Handlung,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.