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zu verweigern. Die Unrichtigkeit einer sol-
chen Überspannung des Grundsatzes er-
gibt sich schon daraus, daß konsequenter-
weise auch Erhebungen, die in ihrem Re-
sultat zugunsten des Nationalen wirken,
zurückgewiesen werden müssen.
Angehörige dritter Staaten werden an-
standslos ausgeliefert, nur haben sich zahl-
reiche Staaten die Möglichkeit im Ver-
trage vorbehalten, nach ihrer Wahl dem
Heimatsstaat die Alf zu bewilligen, wenn
er sie begehrt.
In erster Linie entscheidet aber beim
Vorliegen mehrerer Auslieferungsgesuche
für die bessere Berechtigung die Priorität.
Handelt es sich um Auslieferungsgesuche
zweier Staaten wegen verschiedener De-
likte, so ist es möglich, unter der Bedin-
gung auszuliefern, daß der Verbrecher
nach der Aburteilung und vor der Straf-
verbüßung an den dritten Staat zur Abur-
teilung weitergeliefert werden müsse.
Die Alf wird nicht gewährt, trotzdem
davon in den Verträgen nicht die Rede
ist, wenn der Delinquent im Asylstaate
wegen derselben Handlung schon abge-
urteilt ist oder noch in Untersuchung
steht. Eine vorläufige Alf zum Zweck der
Aburteilung wegen einer anderen Hand-
lung, mit der Bedingung der Rückliefe-
rung behufs Verbüßung einer schon ver-
hängten Strafe, ist möglich.
Mit dem Verbrecher selbst werden auch
alle bei ihm gefundenen Beweisstücke,
vorbehaltlich der Rechte Dritter, über-
geben.
Der Weg, den der Auszuliefernde zu
nehmen hat, und der Ort der Übergabe
sind Sache der Vereinbarung im Einzel-
falle. Wenn die Staaten nicht aneinander-
grenzen und die Benutzung des Seeweges
nicht die Berührung des Gebietes dritter
Staaten unnötig macht, so bedarf es be-
sonderer Vereinbarungen über die Durch-
lieferung, die bisweilen auch durch beson-
dere Verträge geregelt ist.
Nach den allermeisten Verträgen ver-
zichten die vertragschließBenden Staaten
gegenseitig auf Erstattung der entstande-
nen Kosten. Nur im Verhältnis zu Öster-
reich und der Nordamerikanischen Union
findet Kostenersatz statt. Die Kosten der
Durchlieferung durch einen dritten Staat
trägt immer der ersuchende Staat.
Die streitige Frage, ob über die be-
stehenden Verträge hinaus ausgeliefert
werden kann, wird zu bejahen sein, da die
Auslieferung.
Verträge nur die Pflicht, nicht aber das
Recht auszuliefern regeln. Für Deutsch-
land gibt es jedenfalls keine gesetzliche
Schranke, die die Alf aus Deutschland ver-
bietet. Dagegen stehen, wie oben schon
ausgeführt, die Bestimmungen der Ver-
träge des Reichs der Aburteilung eines
Verbrechers entgegen, der anders als nach
den Bestimmungen des Vertrags nach
Deutschland ausgeliefert wurde.
Eine Reihe von Staaten (Belgien, Nie-
derlande, England und die Nordamerika-
nische Union) liefern ohne vertragliche
Verpflichtung grundsätzlich nicht aus. Die
Schweiz kann nach ihrem Auslieferungs-
gesetz mit oder ohne Vorbehalt des Ge-
genrechts auch wegen einer im Vertrag
nicht enthaltenen strafbaren Handlung
ausliefern, sofern nur das Auslieferungs-
gesetz die Handlung enthält. Im Anschluß
hieran hat die deutsche Reichsregierung
durch förmliche und nichtförmliche Ge-
genseitigkeitserklärungen wichtige Erwei-
terungen des Auslieferungsvertrags in die
Wege geleitet, obwohl die Rechtsgültig-
keit solcher Vereinbarungen bestritten ist.
Ähnliches ist auch bei anderen Ländern
(Frankreich im Verhältnis zu einigen Bun-
desstaaten) verabredet worden.
Aus den Verträgen hat sich allmählich
eine Art von gemeinem internationalem
Auslieferungsrecht entwickelt, nach wel-
chem diejenigen Staaten ausliefern, die
Verträge nicht abgeschlossen haben. Da-
bei wird von der ursprünglich jeweils ge-
forderten Zusicherung der Reziprozität
neuerdings Umgang genommen.
Nationale werden aber von den Staa-
ten des Kontinents wenigstens grundsätz-
lich nicht ausgeliefert, wie dies ja auch in
Deutschland durch S 9 ausdrücklich ver-
boten ist.
Nur wegen bedeutender Handlungen
wird ausgeliefert, und wegen politischer
Delikte im weitesten Sinne wird die Alf
verweigert. Aber auch hier muB beachtet
werden, daß die Tendenz in neuerer Zeit
gegen die Überspannung des politischen
Asylrechtes geht.
Der Grundsatz der Spezialität wird auch
ohne Vertrag beachtet. Es wird die Ab-
urteilung auf die einzelne Handlung be-
schränkt, wegen deren ausgeliefert ist.
Nur sind die Gerichte an die rechtliche Be-
urteilung, welche die Tat bei der Alf ge-
funden hat, nicht gebunden. Ergibt sich
noch eine weitere wichtigere Handlung,