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dann Pflicht ist, wenn wirklich schon die
Auslieferung nachgesucht ist und gegen
den Verfolgten mindestens Haftbefehl er-
lassen ist.
Alles Weitere erfolgt auf diploma-
tischem Wege, d. h. von Regierung zu Re-
gierung: das auswärtige Ministerium des
ersuchenden Staates wendet sich an das
Auswärtige Amt. Dieses beauftragt seinen
Gesandten — Botschafter, Gesandten
oder Geschäftsträger — im Asylstaat die
Bitte um Gewährung der Alf als note ver-
bale bei dem Minister der auswärtigen
Angelegenheiten des ersuchten Staates
anzubringen. Das Gesuch geht dahin,
den Verbrecher aufsuchen und fest-
nehmen zu lassen, sodann auf Grund der
gerichtlichen Urkunden Alf und Über-
gabe an die Organe des ersuchenden Staa-
tes zu veranlassen. Für eine Reihe von
Staaten — Belgien, Luxemburg, Schwe-
den, Norwegen, ' Spanien, Brasilien,
Schweiz — ist direkte Verhandlung der
Regierung des Bundesstaats mit dem
fremden Staate durch Vermittelung des
deutschen Gesandten zugelassen. In der
Nordamerikanischen Union muß der Ge-
sandte oder der Konsul des ersuchenden
Staates vor einem Staatssekretär oder
Richter eine dem Gesuch entsprechende
eidliche Erklärung abgeben.
Nur Österreich gegenüber ist für
Deutschland durch den Bundesbeschluß
von 1854 direkter Verkehr der Lokalbe-
hörden in Auslieferungssachen zuge-
lassen.
In vielen Fällen würde der Ausliefe-
rungsantrag, wenn er erst nach Ausfol-
gung der erforderlichen Urkunden auf di-
plomatiscem Wege ankäme, deshalb
nicht zu einem Resultat führen, weil sich
bis dahin der Verbrecher längst entfernt
hätte. Es hat sich deshalb in den neueren
Verträgen das Institut der vorläufigen
Festnahme zur Vorbereitung der Alf ent-
wickelt. Diese vorläufige Festnahme kann
erwirkt werden, wenn nur ein Haftbefehl
vorliegt, ohne daß Ausfertigung desselben
zur Stelle sein muß. Belgien und den Nie-
derlanden gegenüber kann die vorläufige
Festnahme ohne Vorliegen eines Haftbe-
fehls beantragt werden, wenn also die
Strafverfolgungsbehörde in der sicheren
Erwartung, daß der Haftbefehl erwirkt
werden kann und erwirkt wird, die An-
regung gibt.
Regelmäßigerweise muß der Antrag auf
Auslieferung.
vorläufige Festnahme auch auf diplo-
matischem Wege, wobei Telegramme zu-
gelassen sind, gehen.
Einer Reihe von Staaten — Belgien,
Luxemburg, Schweiz, Spanien und Nie-
derlande — gegenüber ist für den An-
trag unmittelbarer Verkehr der Strafver-
folgungsbehörden mit gewissen näher
bezeichneten Beamten dieser Staaten er-
laubt.
Durch Vermittelung der deutschen Ge-
sandten und Konsuln kann die vorläufige
Festnahme in Frankreich, England, Ita-
lien und den Vereinigten Staaten von
Nordamerika erwirkt werden.
Immer aber muß, wenn die vorläufige
Festnahme direkt beantragt ist, auch der
Auslieferungsantrag auf diplomatischem
Wege gestellt werden.
Auf diesen Antrag muß sich die fremde
Regierung schlüssig machen, ob sie die
Alf des in ihrem Lande betroffenen und
verhafteten Verbrechers bewilligt oder ab-
lehnt. Erfolgt die Bewilligung, so schließt
sich daran die Übergabe an der Grenze an
die Beamten der deutschen Rechtspflege
und die Aburteilung vor dem deutschen
Gerichte. Dieses hat die geschilderten
Grundsätze bei seinem Urteil zu beachten,
darf aber das Verhalten der ausländischen
Regierung bei der Bewilligung nicht nach-
prüfen, RGSt 29 24. Auf die erkannte
Strafe kann die Auslieferungshaft im frem-
den Staat ebenso wie die inländische Un-
tersuchungshaft ganz oder teilweise ange-
rechnet werden.
Von einer Ablieferung nach Deutsch-
land pflegt man dann zu sprechen, wenn
eine von den deutschen Strafverfolgungs-
oder Vollstreckungsbehörden gesuchte
Person aus deutschem Schutzgebiet oder
aus einem fremden Staat, in welchem
Deutschland Konsulargerichtsbarkeit zu-
gestanden ist, nach Deutschland gebracht
und vor ein deutsches Gericht gestellt
werden oder in Deutschland eine Strafe
abbüßen soll.
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Die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 1897: D. De-
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Der internationale Strafrechtsverkehr, Wien 1892; D. Emil
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rechts mit Rücksicht auf die Gesetzgebungen Österreichs,
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buch des Rechtshilfevertahrens II u. Rechtahilfe in Straf-
sachen; Hetzer Deutsche Auslieferungsverträge, 1883;
C. D. "Menzen Deutsche Auslieferungsverträge, 1891:
CO. Kurtz Hilfsbuch für Strafvollzug, Rechtshilfe und Aus-