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matische Begründung der Politik und sei-
ner Methode, die er beabsichtigte, hat er
nicht gegeben und nur hin und wieder in
vereinzelten Aphorismen seine Ansichten
bekannt gemacht; erst sein jüngerer
Freund Hobbes machte den Versuch, die
allgemeine Staatslehre nach naturgesetz-
licher Auffassung des Staates darzustel-
len. — S. auch Philosophie, Neuere.
Bogeng.
Baden (Verfassung). Bei Schaffung
des Großherzogtums Baden waren die alt-
ständischen Einrichtungen der Markgraf-
schaften erloschen, und beim Anfall des
Breisgaus wurden die dortigen aufgeho-
ben. Das Bedürfnis konstitutioneller Zu-
sammenfassung, dem auch Frhr. vom
Stein durch den Zaren Alexander das
Wort am badischen Hof lieh, trat bald
hervor. Es zu befriedigen, konnte nun
nicht an Vorhandenes im Lande an-
geknüpft werden, und es erstand da-
her, aus Nebenius’ Feder, ein in manchem
sich an das französische Zweikammer-
systern der Charte von 1814 anlehnendes
Werk. Großherzog Karl, sein Geber, be-
zeichnete als Ziel, den Ständen alle zum
Zweck gehörigen Rechte einzuräumen,
zugleich aber die Unabhängigkeit der
Staatsverwaltung zu erhalten.
Die Verfassung vom 22. Aug 1818
erfuhr bis 1860 wenig Änderung oder Er-
gänzung, und auch die damals unter Groß-
herzog Friedrich I. eintretende liberale
Ära umkleidete ihre Schöpfungen (Selbst-
verwaltung, administrative Rechtskontrol-
len, Ordnung des Staatskirchenrechts und
Unterrichtswesens) nicht mit verfassungs-
rechtlichem Gewand. Doch widmete sie
der Verfassung manchen Ausbau (Im-
munitäten, Ministeranklage, Initiativrecht,
Ausdehnung der Wahlfähigkeit, Änderung
der Mandatsdauer).. Eine noch tiefer
gehende Reform erfolgte 1904 durch Be-
seitigung des indirekten Wahlsystems
(Wahlmännerwahlen) zur II. Kammer und
Umgestaltung der I. derart, daß Vertreter
der Kommunal- wie der Berufskörper-
schaften hinzukamen.
Der erste Abschnitt der Verfassung be-
handelt die Staatsgrundlagen (Bundesver-
hältnis von 1815, Unteilbarkeit, Thron-
folge, Souveränität, konstitutionelles Prin-
zip); dabei ist die hausgesetzliche Dekla-
ration über das agnatische Erbfolgerecht
(und im Fall Aussterbens des zähringi-
schen Mannesstamms kognatisches Regre-
Bacon — Baden.
dienterbfolgerecht) zugleich zum Verfas-
sungsbestandteil gemacht, so daß abän-
dernde hausautonome Normen hierüber
nicht ohne Hinzutritt eines Verfassungs-
gesetzes wirksam sein würden.
Der zweite Abschnitt führt zunächst
eine Reihe sogen Grundrechte der Ba-
dener auf (Rechts- und Lastengleichheit,
Gewissensfreiheit, Ablöslichkeit gewisser
Feudal- und anderer Lasten, Wegzugsfrei-
heit, Sicherheit des Eigentums und der
persönlichen Freiheit, sowie des Rechts-
wegs, und Verbot der Kabinettsjustiz,
Preßfreiheit) und garantiert dann den ver-
fassungsmäßigen Schutz für wichtig er-
kannter gemeinnütziger Anstalten oder
zum Ausgleich strittiger Verhältnisse ge-
troffener Einrichtungen und Normen (Pa-
rität, Kirchengut, pia corpora sonst,
Hochschuldotationen; Unangreifbarkeit
der Schuldentilgungskasse; Adelsedikte;
Staatsdienerpragmatik, Witwen- und
Brandkassen, — wofür jedoch der Ver-
fassungscharakter später aufgehoben).
Die folgenden Abschnitte befassen sich
mit Zusammensetzung, Wirksamkeit und
Beratungsformen der Landstände, wor-
über das jetzt geltende Recht folgende
Grundzüge darbietet:
Die Teilung in zwei Kammern beruht
darin, daß zunächst die II. eine bloß geo-
graphisch (73 Wahlkreise für die Wahl
je eines Abgeordneten, 24 städtische, 49
ländliche) verteilte Vertretung auf Grund
lokaler Mehrheit darstellt, indem die über-
wiegende Anzahl der erschienenen Wäh-
ler in jedem Wahlkreis, ohne eine innere
Gliederung nach Beruf oder Steuerlei-
stung, den Inhaber des Mandats bestimmt;
am zweiten Wahlgang, eintretend bei
Nichterreichung einer absoluten Mehrheit
im ersten, nehmen nicht nur die beiden
höchststimmigen Kandidaten, einerlei wie-
vie] Stimmen auf sie fielen, sondern, wenn
der Fall vorliegt, daß mehrere mindestens
15% der Stimmen erhielten, alle diese teil.
Das Wahlrecht ist allgemein, gleich, ge-
heim und unmittelbar, und eine Totaler-
neuerung aller Mandate erfolgt bei jeder
Auflösung oder dem Ablauf der Legis-
laturperiode, welche 4 Jahre dauert, ein-
geteilt in zwei, der zweijährigen Budget-
periodizität entsprechende Sitzungsperio-
den. Als Wahlalter sind für die Wahl-
fähigkeit 25, für die Wählbarkeit 30 voll-
endete Lebensjahre erheischt, außerdem
ist eine gewisse Dauer des Wohnsitzes im