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Landarbeiters der Wiederherstellung der
Kultur eine große Kraft entziehen.
1. Die Gutsuntertänigkeit wird mit
Martini 1810 abgeschafft. Von da ab gibt
es in Preußen kein der Unfreiheit oder
Hörigkeit entsprechendes Rechtsverhält-
nis.
2. Die Erbittung des gutsherrlichen
Konsenses zur Heirat, zur Eingehung
eines Dienstverhältnisses, zum Betriebe
eines Gewerbes ist weggefallen.
Il. Der weitere Ausbau des Landes-
kulturediktes erfolgt durch die Edikte vom
14. Sept 1811 betreffend die Beförderung
der Landeskultur und betreffend die Re-
gulierung der gutsherrlich-bäuerlichen
Verhältnisse, Regulierungsedikt. Hierin
wird bestimmt, daß auch die kleinen
Leute, die Kätner, Büdner, Häusler, Tage-
löhner, Grundeigen erwerben dürfen. —
Durch die Deklaration von 1816 wird die
Regulierungsfähigkeit auf spannfähige
Stellen beschränkt.
Il. Die Gemeinheitsteilungsordnung
vom 7. Juni 1821 will der Landkultur
durch bessere Ausgleichung der Boden-
eigentumsverhältnisse helfen.
1. Die Gemeindewiesen, Hütungs-
flächen usw werden geteilt; daher wird
der Ackerbau und der Wohlstand der
landbauenden Bevölkerung, deren Grund-
eigen freier und selbständiger geworden
ist, gehoben. Zur Ordnung der Teilungen
und zur Regelung der Ablösungen der
Dienste usw wird durch die Verordnung
vom 20. Juni 1817 eine Generalkommis-
sion eingesetzt.
2. Durch die Gesetze vom 2. März 1850
betreffend die Ablösung der gutsherrlich-
bäuerlichen Dienste und Abgaben und
betreffend die Bildung von Rentenbanken
wird die definitive Ordnung der Ab-
lösungsgesetzgebung geschaffen. P.
Bauernfänger, Betrüger, welcher un-
ter dem Anscheine eines besonders gün-
stigen Angebotes Unerfahrene, nament-
lich Landleute, Sachsengänger u. ä., bei
Kauf- und Tauschgeschäften prellt.
Bauforderungen. Gegenüber der
unsoliden Spekulation in Baustellen, Neu-
bauten, Häuserschacher sind seit langer
Zeit Versuche zum Schutze der wirtschaft-
lich Schwachen, insbesondere der Bau-
handwerker, angeregt worden, ohne daß
es jedoch gelang, eine Sicherung für alle
Beteiligten zu erzielen. Der gewöhnliche
Bauernbefreiung — Bauforderungen.
Vorgang, der notwendig zur Schädigung
der Unternehmer und Handwerker sowie
der Arbeiter führen mußte, war der, daß
eine Baustelle an einen Bauherrn (in der
Regel einen kapitallosen, oft einen frucht-
los gepfändeten Gehilfen des Spekulan-
ten) aufgelassen und diesem gegen Be-
stellung einer Hypothek der Kaufpreis
kreditiert und außerdem Baugeld vorge-
streckt wurde. Die Hypothek des Speku-
lanten war so hoch bemessen, daß sie
nicht nur den Wert der Baustelle und des
Gebäudes überstieg, sondern auch ver-
hinderte, daß weitere Hypotheken bei
einer Zwangsvollstreckung auf ihre Rech-
nung kommen konnten. Der Spekulant
konnte nun schon bei der (ratierlich zu
entrichtenden) Baugeldsumme Schwierig-
keiten machen und so den Bau unter-
brechen, oder er konnte dessen Fertigstel-
lung abwarten und dann (bei der stets ein-
tretenden Nichtzahlung der Hypotheken-
zinsen) zugreifen, entweder direkt oder
durch Mittelspersonen. Jedenfalls war
der Bauschwindel, der viele Existenzen
ruinierte, kulturell der Zeit aber weit
voranschritt, in Zeiten reger Bautätigkeit
ein belebender, wenn auch ungesunder
Anreger des Baumarktes. Gesetzgebe-
rische Maßnahmen mußten mit großer
Vorsicht unternommen werden, da es
nicht nur galt, die Auswüchse der wilden
Bauspekulation an der richtigen Stelle zu
treffen, sondern auch die gesunde und
normale Bautätigkeit zu schützen und na-
mentlich ihren Kredit nicht zu unter-
graben.
I. Ein Versuch, die Bauunternehmer
zu schützen, wurde in B 648 gemacht, in-
dem diesen ein Anspruch auf Einräumung
einer Sicherungshypothek gewährt wurde;
freilich war dieser Schutz unzureichend,
wenn dieser Sicherungshypothek (wie ge-
wöhnlich) hohe Hypotheken vorangingen.
Für die Handwerker und Arbeiter war
dieser Schutz nicht bestimmt.
II. Eine umfassende Regelung ist durch
das Reichsgesetz vom 1. Juni 1909 (abge-
kürzt: Bf) erfolgt. Das Gesetz zerfällt in
2 Abschnitte; der erste behandelt die all-
gemeinen Sicherungsmaßregeln, der
zweite (in 7 Titeln) die dingliche Siche-
rung der Bauforderungen. —
A. Allgemeine Sicherungsmaßregeln.
l. Der Empfänger von Baugeld ist ver-
pflichtet, das Baugeld zur Befriedigung
der Baugläubiger, d. h. derjenigen Perso-