Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Berufsvormund. 
und durch seine besondere Befähigung, 
Spezialisierung und Übung die Mängel 
ersetzen, welche durch Fehlen der Indivi- 
dualisierung entstanden. Auch der Bv 
kann im Ehrenamte handeln. Das We- 
sentliche.ist nicht die Besoldung, sondern 
die andauernde berufsmäßige Beschäfti- 
gung mit der Führung vormundschaft- 
licher Angelegenheiten. Unterarten sind 
Generalvormundschaft und Sammel-(Kol- 
lektiv-)Vormundschaft. Von Generalvor- 
mundschaft spricht man dann, wenn eine 
ganze Kategorie von Minderjährigen, 
z. B. alle armenunterstützten Kinder einer 
Stadt unter einer einzigen Vormundschaft 
behandelt werden. Diese Vormundschaft 
kann sowohl eine gesetzliche wie eine be- 
stellte sein. Eine Sammelvormundschaft 
besteht dann, wenn mehrere Vormund- 
schaften unter Prüfung von Fall zu Fall, 
in der Hand eines Bv gesammelt werden. 
Diese Vormundschaft ist immer eine be- 
stellte. Die Hauptformen der Generalvor- 
mundschaft sind die Anstaltsvormund- 
schaft und die Armenamtsvormundschaft. 
Von Sammelvormundschaften nennt 
Barthelmeß u.a.: 
1. Die Berufsvormundschaft eines Be- 
amten (amtliche Sammelvormundschaft). 
„Hierbei wird ein Beamter, in der Regel 
der Beamte einer Gemeinde, zum Vor- 
mund bestellt, teils mit, teils ohne Über- 
gehung der Personen, die nach dem B 
ein Recht darauf haben, in erster Linie 
zum Vormunde bestellt zu werden‘, Einf- 
B 136 Nr 3. 
2. Sammelvormundschaften auf Grund 
Vereinbarungen von Privatpersonen, die 
Vereine mit freier Liebestätigkeit leiten 
und denen zahlreiche Hilfskräfte und hin- 
reichende Geldmittel zur Verfügung 
stehen, und den Vormundschaftsgerichten, 
denen zufolge die Privatperson sich frei- 
willig zum Vormunde bestellen läßt. 
Gegen die Anwendung der Berufsvor- 
mundschaft ist angeführt worden: das B 
stehe auf dem Boden der Einzelvormund- 
schaft, folglich dürfe man Berufsvormün- 
der erst dann in Funktion treten lassen, 
wenn ein Einzelvormund überhaupt nicht 
zu finden ist. Demgegenüber ist zu sagen, 
daß das B nicht getrennt werden darf von 
seinem Einf-G und von den auf Grund 
desselben ergangenen Ausf-Gesetzen, und 
diese stehen doch offenbar auf dem Stand- 
punkte, daß der Entwickelung der Berufs- 
vormundschaft die Bahn offengehalten 
  
217 
werden muß. Wenn man daher in Preußen 
von der Befugnis des Ausf-B 78 4 Ge- 
brauch macht und statutarisch die Armen- 
amtsvormundschaft einführt, so handelt 
man nicht wider das Gesetz, sondern emi- 
nent in seinem Sinne. $ 4 lautet: „Auf 
Grund ortsstatutarischer Bestimmung 
können Beamten der Gemeindeverwal- 
tung alle oder einzelne Rechte und Pflich- 
ten eines Vormundes für diejenigen Min- 
derjährigen übertragen werden, welche im 
Wege der öffentlichen Armenpflege unter- 
stützt und unter Aufsicht der Beamten 
entweder in einer von diesen ausgewähl- 
ten Familie oder Anstalt oder, sofern es 
sich um uneheliche Minderjährige handelt, 
in der mütterlichen Familie erzogen oder 
verpflegt werden.“ Natürlich kann das 
Vormundschaftsgericht auch statt des Ge- 
neralvormundes einen Einzelvormund be- 
stellen, wenn dies im Interesse des Min- 
derjährigen liegt. Die Vormundschaft des 
Generalvormundes kann auch bis zur Voll- 
jährigkeit dauern. Doch hat man sie man- 
chenorts auf die ersten 2 Jahre oder auf 
bestimmte Rechte und Pflichten be- 
schränkt. Die Vormundschaft ist eine be- 
freite. Sie ist auch eine gesetzliche. Einer 
besonderen Bestellung bedarf es nicht. 
Die Generalvormundschaft endet nicht 
durch den Tod des einzelnen Beamten 
oder durch seine Entmündigung, sondern 
geht auf seinen Amtsnachfolger oder Ver- 
treter über. Sie geht den „berufenen‘‘ Vor- 
mündern vor. Hat der Generalvormund 
nur einzelne Rechte, so besteht für die 
übrigen Rechte eine Teilvormundschaft; 
über Meinungsverschiedenheiten entschei- 
det dann das Vormundschaftsgericht, B 
1797, 1798. Ist Generalvormundschaft ein- 
gerichtet, so endet das Amt des bisherigen 
Vormundes kraft Gesetzes, z. B. bei Un- 
ehelichen im Falle des Eintrittes der Ar- 
menunterstüzung. Dies ist aber dann so- 
fort dem Vormundschaftsgericht anzu- 
zeigen. Barthelmeß teilt eine Reihe 
einschlägiger Ortsstatute mit: 
1. Ortsstatute, in denen der Bürger- 
meister oder der Leiter der Armenverwal- 
tung unmittelbar zum Bv bestimmt ist, 
z. B. Kottbus, Remscheid; 
2. Ortsstatute, in denen ein bestimmter 
Beamter der Armenverwaltung, nicht der 
Vorsitzende, als gesetzlicher Bv benannt 
wird, z. B. Siegen, Altena; 
3. Ortsstatute, nach denen der Beamte 
gewählt wird, z. B. Eikel;
	        
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