Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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4. Ortsstatute, welche einer Amtsstelle 
die Bezeichnung der Beamten für die Be- 
rufsvormundschaft überlassen, z. B. 
Breslau, Danzig, Frankfurt a. O.; 
5. Ortsstatute, die dem Bürgermeister 
die Ernennung eines Beamten zum Bv in 
jedem einzelnen Falle übertragen, z. B. 
München-Gladbach. 
Für einzelne Gemeinden besteht ein 
Übereinkommen zwischen Gericht und 
Gemeindeverwaltung, nach welchem eine 
Teilung der vormundschaftlichen Ge- 
walt unter 2 Teilvormündern stattfin- 
det. Der eine Teilvormund wird für 
alle Fälle einer bestimmten Art immer 
wieder aufs neue vom Vormundschaftsge- 
richt verpflichtet; er wird von der Ge- 
meinde für seine Mühe bezahlt. Ihm wird 
z. B. die Beitreibung sämtlicher Unter- 
haltsansprüche übertragen. Den Rest der 
vormundschaftlichen Gewalt übt ein Ein- 
zelvormund aus, der insbesondere die per- 
sönliche Aufsicht auszuüben und die Ver- 
wendung der eingegangenen Uhnterhalts- 
beiträge im Interesse des Kindes zu regeln 
und zu überwachen hat. Diese Teilung 
der vormundschaftlichen Gewalt rechtfer- 
tigt sich nach B 1797 Abs 2: „Das Vor- 
mundschaftsgericht kann die Führung der 
Vormundschaft unter mehrere Vormünder 
nach bestimmten Wirkungskreisen vertei- 
len. Innerhalb des ihm überwiesenen Wir- 
kungskreises führt jeder Vormund die 
Vornundschaft selbständig.“ Die Ab- 
grenzung des Wirkungskreises der einzel- 
nen Vormünder ist dem freien Ermessen 
des Vormundschaftsgerichts überlassen, 
M 4 1904. Die Abgrenzung braucht nicht 
nach Hauptmaterien zu erfolgen. In die- 
sen Punkte ist nur zweifelhaft, ob einem 
Vormunde die Oberleitung oder Aufsicht 
über die übrigen Vormünder übertragen 
werden kann; eine praktische Frage, da 
der Berufsteilvormund leicht aus seiner 
amtlichen Stellung heraus die Oberleitung 
beanspruchen wird. Bejahend, Mot 4 
1094, Fuchs, Boehm, v. Blume, Endemann, 
Staudinger. Verneinend Planck, Fischer- 
Henle, Scherer. Mir scheint die bejahende 
Ansicht dem Grundsatze der Selbständig- 
keit jedes Teilvormundes innerhalb seines 
Ressorts zu widersprechen, auch in die 
Prärogative des Vormundschaftsgerichtes 
einzugreifen. Dasselbe darf das Recht und 
die Pflicht, Meinungsverschiedenheiten zu 
entscheiden, nicht aus der Hand geben. 
Eine weitere Streitfrage ist die, ob bei 
  
  
Berufsvormund. 
Wegfall eines der Teilvormünder dem an- 
deren Teilvormund zunächst der ver- 
waiste Machtteill anwächst. Bejahend 
Planck, Blume, Staudinger. Verneinend 
Endemann. Doch haben die Bejahenden 
hauptsächlich eine wenigstens. kollektiv 
bestellte Vormundschaft in Auge. Der 
Teilberufsvormund ist aber nicht kollektiv 
mit dem Einzelvormund bestellt. Er eignet 
sich durchaus nicht für die persönliche 
Aufsicht. Der Vormundschaftsrichter 
hatte ausdrücklich den Willen, ihm nur die 
Unterhaltsbeitreibung zu überlassen. Die 
Berufsteilvormundschaft nähert sich darin 
mehr der Pflegschaft. Daher können die 
Ressorts dem anderen Teilvormunde nicht 
anwachsen, müssen vielmehr vom Vor- 
mundschaftsgerichte neu vergeben wer- 
den. 
Wieder eine andere Form von Sammel- 
vormundschaft oder Sarmmelpflegschaft 
wird im „Recht‘‘ 13 57 geschildert, sie 
besteht „für gewisse Arten von gefährde- 
ten Kindern, zu deren Schutze das Vor- 
mundschaftsgerichtt nach B 1666, 1838, 
1631 Abs 2, 1665 eingreift. Den Sammel- 
vormund stellt in diesem Falle der ‚Aus- 
schuß für Jugendfürsorge‘, welcher sich 
für diesen Zweck, sowie zur Mitarbeit 
beim Jugendgerichte aus Pädagogen, 
Geistlichen und besonders erziehlich ver- 
anlagten Bürgern gebildet hat. Die Be- 
treffenden sind Spezialisten auf dem Ge- 
biete der erziehlichen Einwirkung auf Ge- 
fährdete.“ 
Die in diesen letzten Arten von Sammel- 
vormundschaft geschilderte Teilung der 
Gewalt nach einzelnen Rechten und 
Pflichten kehrt u. a. auch in dem bayrGes 
vom 23. Febr 1908 wieder. 
„Art 1: Das Vormundschaftsgericht 
kann vor den nach B 1776 als Vormund 
berufenen Personen Beamte einer Ge- 
meinde zu Vormündern für diejenigen 
Minderjährigen bestellen, welche unter 
Aufsicht der Beamten in einer von ihnen 
ausgewählten Familie oder Anstalt er- 
zogen oder verpflegt werden. Es kann 
ihnen auch nur einzelne Rechte und Pflich- 
ten eines Vormundes übertragen. Art 2: 
Durch Gemeindestatut kann bestimmt 
werden, daß Gemeindebeamte alle oder 
einzelne Rechte und Pflichten eines Vor- 
mundes für solche Minderjährige haben, 
welche unter der Aufsicht der Beamten in 
einer von ihnen ausgewählten Familie 
oder Anstalt erzogen oder verpflegt wer-
	        
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